Die beschwerdeführende Anwältin hat insoweit Recht, als ein Unterschied besteht, ob die Reisekosten des beigeordneten auswärtigen Anwalts bis zur Höhe der "Kosten" eines Verkehrsanwalts übernommen werden oder bis zur Höhe der "Mehrkosten" eines Verkehrsanwalts. Sie hat allerdings den Umfang ihrer Beiordnung verkannt. Die beigeordnete Anwältin ist offenbar davon ausgegangen, dass das FamG angeordnet habe, ihre Reisekosten würden nur bis zur Höhe der Kosten eines Verkehrsanwalts aus der Landeskasse übernommen. Angeordnet war aber tatsächlich, dass die Landeskasse die "Mehrkosten" übernimmt, die dadurch entstehen, dass die beigeordnete Rechtsanwältin ihre Kanzlei nicht im Bezirk des Verfahrensgerichts hat und dass nur diese Mehrkosten auf die Höhe der Vergütung eines Verkehrsanwaltes am Wohnort der Antragstellerin beschränkt worden sind. Die vom FamFG verwandte Formulierung hat die gleiche Rechtsfolge wie die im zitierten Fall des OLG Brandenburg.

Auswirkungen haben die unterschiedlichen Formulierungen, wenn die Reisekosten bei einem ersten Termin bereits die Kosten eines Verkehrsanwalts übersteigen oder wenn es bei mehreren Terminen zu einem Überschreiten kommt.

 

Beispiel 1

Der Anwalt hat seine Kanzlei in Nürnberg und wird von der Nürnberger Mandantin in einer Ehewohnungssache vor dem FamG München beauftragt. Der Mandantin wird VKH bewilligt und ihr Nürnberger Anwalt beigeordnet. Es kommt zu einem Termin vor dem FamG München, zu dem der Anwalt anreist (einfache Entfernung 171 km). Der Verfahrenswert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

Es ergeben sich also bei einem Termin Fahrtkosten i.H.v.

 
Fahrtkosten Pkw, Nr. 7003 VV 143,64 EUR
(2 x 171 km x 0,42 EUR/km)  
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 2 VV 50,00 EUR
Insgesamt netto 193,64 EUR

Demgegenüber belaufen sich die Kosten eines Verkehrsanwalts auf

 
1,0-Gebühr, Nr. 3400 VV, § 49 RVG 222,00 EUR
(Wert: 3.000,00 EUR)  
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Insgesamt netto 242,00 EUR

Die Verkehrsanwaltskosten liegen damit über den Reisekosten, sodass die Reisekosten in voller Höhe aus der Landeskasse zu übernehmen sind.

 

Beispiel 2

Wie Beispiel 1, jedoch kommt es zu zwei Terminen vor dem FamG München.

Jetzt belaufen sich die Reisekosten auf:

 
Fahrtkosten Pkw (1. Termin), Nr. 7003 VV 143,64 EUR
(2 x 171 km x 0,42 EUR/km)  
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 2 VV 50,00 EUR
Fahrtkosten Pkw (2. Termin), Nr. 7003 VV 143,64 EUR
(2 x 171 km x 0,42 EUR/km)  
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 2 VV 50,00 EUR
Insgesamt netto 387,28 EUR

Wäre die Beiordnung dahingehend beschränkt worden – wie es häufig anzutreffen ist –, dass der auswärtige Anwalt beigeordnet wird mit der Maßgabe, dass seine Reisekosten bis zur Höhe der "Kosten" eines Verkehrsanwalts aus der Landeskasse übernommen werden, würden jetzt Reisekosten nur i.H.v. 242,00 EUR netto übernommen.

Lautet die Beiordnung dagegen – wie hier –, dass die Reisekosten übernommen werden bis zur Höhe der "Mehrkosten" eines Verkehrsanwalts, dann wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Kosten, die dadurch entstehen, dass die Beschwerdeführerin ihre Kanzlei nicht im Gerichtsbezirk hat, ohnehin aus der Landeskasse zu übernehmen und zusätzlich zu berücksichtigen sind. Ein auswärtiger Anwalt ist nämlich zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beizuordnen und kann seine Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung im Gerichtsbezirk verlangen (OLG Celle AGS 2016, 437). Daher wären nach der Mehrkosten-Formulierung sowohl die fiktiven Reisekosten der Verfahrensbevollmächtigten bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks (85653 Hofoldinger Forst) zu berücksichtigen als auch die Mehrkosten des Verkehrsanwalts. Dies ergibt damit folgende Kontrollberechnung:

 
höchstmögliche Entfernung im Gerichtsbezirk München  
1. Termin: 2 x 44 km x 0,42 EUR/km 36,96 EUR
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 1 VV 30,00 EUR
höchstmögliche Entfernung im Gerichtsbezirk München  
2. Termin: 2 x 44 km x 0,42 EUR/km 36,96 EUR
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 1 VV 30,00 EUR
fiktive Kosten Verkehrsanwalt 242,00 EUR
Gesamt 375,92 EUR

Zu übernehmen wären daher aus der Landeskasse jetzt die tatsächlichen Reisekosten (387,28 EUR) i.H.v. 375,92 EUR.

Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen

AGS 10/2021, S. 470 - 471

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