Das AG Stralsund war gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO als zuständiges Gericht zu bestimmen. Der Verweisungsbeschluss des AG Hannover ist für das AG Stralsund nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend. Zwar ist – mindestens – die rechtliche Argumentation des AG Hannover in seinem Verweisungsbeschluss nicht richtig. Unabhängig davon, ob nicht von Rechts wegen eine örtliche Zuständigkeit des AG Hannover oder gegebenenfalls eines dritten Gerichts gegeben gewesen wäre, ist der Verweisungsbeschluss des AG Hannover für das AG Stralsund aber bindend, da er nicht willkürlich i.S.d. diesbezüglichen Rspr. ist.

1. Grundsätzlich sind Verweisungsbeschlüsse i.S.v. § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO gem. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Die Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn dem Verweisungsbeschluss jede rechtliche Grundlage fehlt und er bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (std. Rspr., vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 19.2.2013 – X ARZ 507/12, juris Rn 7; BGH, Beschl. v. 17.5.2011 – X ARZ 109/11, juris Rn 9; BGH, Beschl. v. 9.7.2002 – X ARZ 110/02, juris Rn 7).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen kommt dem Verweisungsbeschluss des AG Hannover eine Bindungswirkung zu.

a) Allerdings ist – mindestens – die rechtliche Argumentation in dem Verweisungsbeschluss nicht richtig.

aa) Zutreffend ist zunächst die Ausgangsüberlegung des AG Hannover. Nach § 11 Abs. 1 S. 1 RVG wird die Festsetzung der Vergütung durch das Gericht des ersten Rechtszugs festgesetzt. Soweit es – wie vorliegend – darum geht, dass der Rechtsanwalt die in der Zwangsvollstreckung bei ihm entstandene Vergütung gegenüber dem eigenen Auftraggeber festsetzen lassen will, ist für die Festsetzung das Vollstreckungsgericht sachlich zuständig (vgl. BGH, Beschl. v. 15.2.2005 – X ARZ 409/04, juris Rn 7 [= AGS 2005, 208]).

b) Nicht richtig ist aber, dass – wie es das AG Hannover formuliert hat – örtlich zuständig das Vollstreckungsgericht ist, "in dessen Bezirk später die Zwangsvollstreckung stattfinden soll".

bb) Nach der – soweit ersichtlich – einhellig in der Lit. vertretenen Auffassung ist bei einer Fallkonstellation wie der vorstehend unter a) aa) genannten örtlich zuständig das Gericht, in dessen Bezirk die letzte Vollstreckungshandlung vorgenommen worden ist (vgl. Schneider, in: Schneider/Wolf, RVG, 7. Aufl., § 11 Rn 150; Römermann, in: Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 11 Rn 75; Enders, in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 1. Aufl., § 11 Rn 31; Hartmann, KostG, 44. Aufl., § 11 RVG Rn 41 "Zwangsvollstreckung"). Dem schließt sich der Senat an. Soweit in der vom AG Hannover in seinem Verweisungsbeschluss zitierten Senatsentscheidung v. 1.10.2003 (4 AR 85/03) Gegenteiliges zum Ausdruck gekommen sein sollte, hält der Senat hieran nicht länger fest.

Welches (Vollstreckungs-)Gericht nach dieser Maßgabe vorliegend tatsächlich örtlich zuständig gewesen ist, ist von dem AG Hannover nicht aufgeklärt worden. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, die Akte des dem Antrag zugrunde liegenden Vollstreckungsverfahrens beizuziehen, um zu prüfen, in welchem Bezirk die letzte dem Vergütungsantrag zugrunde liegende Vollstreckungshandlung vorgenommen worden ist.

c) Selbst wenn nach den o.g. Grundsätzen eigentlich das AG Hannover oder ein drittes Gericht für den streitgegenständlichen Antrag örtlich zuständig gewesen sein sollte, wäre der Verweisungsbeschluss des AG Hannover aber nicht als willkürlich zu bewerten. Denn das AG Hannover hat sich für seine Rechtsauffassung auf einen Beschl. d. Senats v. 1.10.2003 (4 AR 85/03, nicht veröffentlicht) bezogen. In diesem heißt es auszugsweise:

"Gemäß § 764 Abs. 2 ZPO ist als Vollstreckungsgericht das Amtsgericht anzusehen, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll. Mit dem Antrag vom 19.5.2003 wollen die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin gem. § 19 BRAGO die entstandenen Vollstreckungskosten gegen ihre in Hildesheim wohnende Mandantin festsetzen lassen, so dass als örtlich zuständig das Amtsgericht Hildesheim zu bestimmen war."

Da mithin der Senat in der Vergangenheit einmal ausgeführt hat, dass für einen Antrag nach (nunmehr) § 11 RVG örtlich zuständig das AG ist, in dessen Bezirk "das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll", kann dem AG Hannover – Rechtspfleger – kein Willkürvorwurf gemacht werden, wenn er sich bei seiner Verweisung an dieser Entscheidung orientiert. Wie ausgeführt, hält der Senat an jener Entscheidung, an der keines der aktuellen Senatsmitglieder beteiligt gewesen ist, nicht länger fest...

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