1. Positionsaustausch

Die Entscheidung des OLG Brandenburg entspricht der allgemeinen Auffassung in Rspr. und Lit. (s. Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., 2022, § 104 Rn 21.20 und 21.39). Voraussetzung ist allerdings, dass beide Kostenpositionen auf demselben Sachverhalt beruhen. Außerdem muss sich der Positionenaustausch in den Grenzen des begehrten Gesamtbetrages halten, sodass einzelne, nicht beantragte Positionen anstelle beantragter, aber unbegründeter Einzelposten festgesetzt werden können (BGH AGS 2020, 378 m. Anm. Volpert = RVGreport 2020, 222 [Hansens] = zfs 2020, 403 m. Anm. Hansens).

a) Beispiele aus der Rechtsprechung zum Kostenfestsetzungsverfahren

Festsetzung einer 5/10-Prozessgebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO nach dem Wert des mit verglichenen Räumungsprozesses statt der beantragten 10/10-Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO, begrenzt durch die Höhe der beantragten Gebühr (KG JurBüro 1977, 1401 m. Anm. Mümmler = AnwBl. 1977, 510),
Ersetzung der beantragten, aber nicht entstandenen Verkehrsgebühr nach § 52 Abs. 1 BRAGO im Beschwerdeverfahren durch eine entstandene, aber nicht beantragte Prozessgebühr des Prozessbevollmächtigten nach § 31 Abs. 1 S. 1 BRAGO (OLG Frankfurt JurBüro 1988, 499),
Festsetzung einer 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV, berechnet nach dem Kostenwert anstelle der beantragten, aber nicht entstandenen 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV aus dem Hauptsachewert (OLG Stuttgart AGS 2021, 167 [N. Schneider] = JurBüro 1921, 198).

b) Bespiele aus der Rechtsprechung zum Verfahren auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung

Die vom OLG Brandenburg für das Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO herangezogenen Grundsätze gelten auch Verfahren auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung gem. § 128 BRAGO bzw. § 55 RVG:

Festsetzung der 10/10-Erörterungsgebührt nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO statt der beantragten, dem beigeordneten Rechtsanwalt aber nicht entstandenen Verhandlungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO (OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 966),
Festsetzung zugunsten des PKH-Anwalts einer nicht beantragten Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV a.F. statt der nicht angefallenen Erledigungsgebühr nach Nrn. 1002, 1006 VV a.F. (LSG München, Beschl. v. 6.2.2019 – L 12 SF 22/15 E).

2. Nachfestsetzung

Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des LG Potsdam ist im Fall des OLG Brandenburg auf einen Nachfestsetzungsantrag des Beklagten ergangen. Das OLG Brandenburg hat sich mit keinem Wort dazu geäußert, ob diese Nachfestsetzung überhaupt zulässig war. Dieser Nachfestsetzung könnte nämlich die Rechtskraft des vorherigen Kostenfestsetzungsbeschlusses entgegenstehen, der offensichtlich formell und materiell in Rechtskraft erwachsen war (s. BGH AGS 2003, 176). In einem solchen Fall steht die materielle Rechtskraft des (ersten) Kostenfestsetzungsbeschlusses einer erneuten Kostenfestsetzung dann entgegen, soweit derselbe Streitgegenstand betroffen ist (BGH RVGreport 2011, 309 [Hansens]; BPatG AGS 2022, 521 [Hansens] = zfs 2023, 101 m. Anm. Hansens). Nur versehentlich in dem ersten Kostenfestsetzungsverfahren nicht geltend gemachte Kosten sind überhaupt einer Nachliquidation zugänglich (BGH RVGreport 2011, 28 [Hansens] = zfs 2011, 101 m. Anm. Hansens = AGS 2010, 580 m. Anm. N. Schneider; OLG Stuttgart RVGreport 2009, 312 [Hansens]; OLG Celle AGS 2010, 582 m. Anm. N. Schneider). Da die Zulässigkeit der Nachfestsetzung von Amts wegen zu prüfen ist, hätte ich schon vom OLG einige Worte hierzu gelesen. Wäre nämlich die Nachfestsetzung unzulässig gewesen, so wäre die sofortige Beschwerde der Klägerin unabhängig von dem vom OLG Brandenburg für rechtens erklärten Gebührenaustausch begründet gewesen und hätte zur Zurückweisung des Nachfestsetzungsantrags des Beklagten geführt.

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

AGS 9/2023, S. 417 - 418

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