Ein weiteres Anrechnungsproblem ergibt sich, wenn die Anrechnung einer Geschäftsgebühr mit einer Kürzung der Verfahrensgebühr(en) nach § 15 Abs. 3 RVG zusammentrifft.

Je nachdem, ob man zuerst anrechnet oder zuerst kürzt, ergeben sich unterschiedliche Ergebnisse.

 

Beispiel 26: Anrechnen und Kürzen

Der Anwalt war für den Kläger nach einem Gegenstandswert von 120.000,00 EUR außergerichtlich tätig geworden und hatte dafür ausgehend von einer Mittelgebühr (1,5) abgerechnet.

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV 2.632,50 EUR
  (Wert: 120.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.652,50 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   503,98 EUR
  Gesamt   3.156,48 EUR

Hiernach kam es zum Rechtsstreit, der durch einen Vergleich erledigt wurde. In diesen Vergleich wurde auch eine weitere nicht anhängige Forderung i.H.v. 23.452,00 EUR mit aufgenommen.

Entstanden ist sowohl eine 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) aus 120.000,00 EUR als auch eine 0,8-Verfahrensgebühr (Nr. 3101 Nr. 2 VV) aus 23.452,00 EUR. Wenn man jetzt zuerst das Gebührenaufkommen nach § 15 Abs. 3 RVG kürzt und hiernach anrechnet, ergibt sich folgendes Ergebnis:

 
II. Gerichtliches Verfahren    
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 2.273,70 EUR  
  (Wert: 120.000,00 EUR)    
2. 0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 VV    
  (Wert: 23.452,00 EUR) 699,20 EUR  
  gem. § 15 Abs. 3 RVG 2.518,10 EUR
  nicht mehr als    
  1,3 aus 143.452,00 EUR    
3. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,   – 1.311,75 EUR
  0,75 aus 120.000,00 EUR    
  Zwischensumme 1.206,35 EUR

Nach zutreffender Ansicht ist erst anzurechnen und dann zu kürzen.[12] Dies ergibt dann folgende Berechnung:

 
II. Gerichtliches Verfahren    
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100 VV 2.273,70 EUR
  (Wert: 120.000,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,   –1.311,75 EUR
  0,75 aus 120.000,00 EUR    
    961,95 EUR
3. 0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 VV 699,20 EUR
  (Wert: 23.452,00 EUR)    
  Zwischensumme   1.661,15 EUR

Die Höchstgrenze des § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,3 aus 143.452,00 EUR (2.285,40 EUR) ist nicht erreicht.

[12] OLG Stuttgart AGS 2009, 56 = NJW-Spezial 2009, 124; OLG Karlsruhe AGS 2011, 165; OLG München AGS 2012, 231 = NJW-RR 2012, 767 = RVGreport 2012, 176.

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