1. Gesetzliche Regelung

Gem. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG ist im erstinstanzlichen Urteilsverfahren die Kostenerstattung ausgeschlossen wegen

der Entschädigung der Partei wegen Zeitversäumnis sowie
der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes.

Diese Vorschrift weicht für das erstinstanzliche Urteilsverfahren von der über § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG geltenden Grundregel des § 91 Abs. 1 ZPO ab, nach der notwendige Kosten der Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung erstattungsfähig sind, zu denen gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO die Kosten eines Rechtsanwalts gehören.

Der Ausschluss der Kostenerstattung für Anwaltskosten ist mit dem Grundgesetz vereinbar (BVerfG NJW 1971, 2302; LAG Stuttgart AnwBl. 1986, 106). § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG soll den arbeitsgerichtlichen Prozess im ersten Rechtszug verbilligen und das Kostenrisiko der erstattungspflichtigen Partei begrenzen (BAG AGS 2015, 483 = RVGreport 2015, 426 [Hansens]). Dies gilt allerdings nicht nur zugunsten des Arbeitnehmers, sondern auch zu dessen Lasten, wenn er im ersten Rechtszug obsiegt (s. BAG DB 1973, 1077).

2. Begriff der Anwaltskosten

Der Ausschluss der Kostenerstattung betrifft die Kosten, die durch die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes entstanden sind. Folglich kommt es auf die Person des Prozessbevollmächtigten nicht an. Auch die Kosten für die Hinzuziehung eines Terminsvertreters oder eines Verkehrsanwalts sind regelmäßig nicht erstattungsfähig. Gleiches gilt, wenn ein Rechtsanwalt als gesetzlicher Vertreter einer Partei oder als Partei kraft Amtes auftritt oder er sich in eigener Sache selbst vertritt (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 9. Aufl., 2017, § 12a ArbGG Rn 13). Der Ausschluss gilt auch für die Kosten eines Nebenintervenienten oder Streitverkündeten (LAG Stuttgart AP Nr. 12 zu § 12 ArbGG).

Der Erstattungsausschluss in § 12a Abs. 1 ArbGG betrifft auch vorprozessuale Anwaltskosten (BAG AP Nr. 14 zu § 61 ArbGG 1953; LAG Hamm MDR 1992, 63). Der Ausschluss der Kostenerstattung erfasst sowohl die nach dem RVG berechneten Gebühren als auch die nach diesem Gesetz angefallenen Auslagen des Prozessbevollmächtigten oder Beistandes.

3. Ersparte Parteireisekosten

Das LAG Nürnberg hat darauf hingewiesen, dass § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG nur das Prozessrisiko für die unterliegende Partei begrenzen will, ihr jedoch kein ungerechtfertigter Kostenvorteil verschafft werden soll. Deshalb seien die durch die Zuziehung eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten bis zur Höhe ersparter Reisekosten der Partei erstattungsfähig (BAG RVGreport 2004, 474 [Hansens] = AGS 2014, 364 m. Anm. N. Schneider; BAG AGS 2015, 483 = RVGreport 2015, 426 [Ders.], ebenso LAG Berlin AP Nr. 4 zu § 61 ArbGG 1953; LAG München AP Nr. 25 zu § 61 ArbGG 1953; LAG Nürnberg AnwBl. 1988, 181 und JurBüro 1995, 66; LAG Rheinland-Pfalz AnwBl. 1988, 299; LAG Düsseldorf LAGE Nr. 6 zu § 12a ArbGG 1979 Streitwert; LAG Hamm MDR 1971, 877).

Folglich können tatsächlich entstandene Anwaltskosten in der Höhe erstattet verlangt werden, die die Partei für eine sonst notwendige Reise aufgewandt hätte. Das sind im Regelfall Reisekosten der Partei zum Güte- oder/und Verhandlungstermin vor dem ArbG. Der Höhe nach sind diese ersparten Reisekosten begrenzt durch die tatsächlich angefallenen Anwaltskosten. Sind also die Kosten für den Prozessbevollmächtigten höher als die ersparten Terminsreisekosten der Partei, sind letztere nur i.H.d. als solche nicht erstattungsfähigen Anwaltskosten erstattungsfähig.

4. Berechnung der ersparten Parteireisekosten

Das LAG Nürnberg hat darauf hingewiesen, dass für die Berechnung der ersparten Reisekosten § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO i.V.m. den Vorschriften des JVEG für Zeugen gilt.

Bei den hypothetischen Parteireisekosten sind nach Auffassung des LAG Nürnberg sämtliche Fahrt-, Unterkunfts- und sonstige Kosten zu berücksichtigen. Soweit nämlich eine Partei eigene Reisekosten vermeide, indem sie einen Anwalt hinzuziehe, seien die dadurch anfallenden Anwaltsgebühren und -auslagen i.H.d. erstattungsfähigen Reisekosten von der unterlegenen Partei zu erstatten (so LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 18.3.2009 – 3 Ta 30/09; s. auch LAG Nürnberg JurBüro 1995, 266). Folglich seien die dem Beklagten durch die Entsendung seines in Hamburg ansässigen Prozessbevollmächtigten zu den Gerichtsverhandlungen in Nürnberg am 6.3.2018 und am 18.9.2019 entstandenen Anwaltskosten im Umfang der hypothetischen Reisekosten zu erstatten, die dem in Berlin ansässigen Beklagten selbst bei Anreise zu den Gerichtsterminen entstanden und vom Kläger als notwendige Kosten i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO zu erstatten gewesen wären. Diese fiktiven Terminsreisekosten des Beklagten hat das LAG Nürnberg auf 741,00 EUR angesetzt.

a) Fiktive Kosten für Bahnfahrten 1. Klasse

Nach Auffassung des LAG Nürnberg umfassen die fiktiven Terminsreisekosten des Beklagten die fiktiven Aufwendungen für Bahnfahrten 1. Klasse von Berlin nach Nürnberg und zurück. Dabei müsse sich der Beklagte nicht auf die Kosten für Fahrten mit ...

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