Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist gem. §§ 58 ff. FamFG zulässig, insbesondere kommt es auf die Einhaltung der Beschwerdesumme nach § 61 FamFG nicht an (BGH FamRZ 2013, 1876).

Sie ist im Ergebnis auch begründet, weil die Kostenaufhebung (hälftige Teilung der Gerichtskosten und Tragung der außergerichtlichen Kosten durch die Beteiligten selbst) der Billigkeit nach § 81 Abs. 1 FamFG entspricht. Nach Auffassung des Senats ist die Billigkeitsentscheidung nach § 81 Abs. 1 FamFG in vollem Umfang vom Beschwerdegericht zu überprüfen. Die Prüfungskompetenz ist nicht darauf beschränkt, ob das erstinstanzliche Gericht sein Ermessen überhaupt erkannt hat oder der Entscheidung Ermessensfehler zu entnehmen sind. Die letztgenannte Auffassung entspricht zwar der h.M. unter den Oberlandesgerichten (z.B. OLG Düsseldorf FamRZ 2020, 280; OLG Bremen v. 8.1.2016 – 5 UF 117/15; OLG Saarbrücken FamRZ 2017, 545; Thüringer OLG v. 28.3.2018 – 1 WF 79/18).

Die Auffassung kann jedoch nicht überzeugen und entspricht nach Meinung des Senats auch nicht der Rspr. des BGH. Der BGH hat in seiner Entscheidung v. 12.1.2016 (FamRZ 2017, 97–98 Rn 9 u. 10) ausgeführt, dass im Bereich der ZPO eine Beschränkung der Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts bei Ermessens- und Billigkeitsentscheidungen vom BGH abgelehnt wird. Im Bereich der ZPO sei das Berufungsgericht nicht darauf beschränkt zu überprüfen, ob eine Ermessensentscheidung Rechtsfehler enthält, insbesondere ob das Gericht sich mit allen maßgeblichen Umständen auseinandergesetzt hat (BGH NJW 2006, 1589 Rn 30). Diese für das Berufungsverfahren aufgestellten Erwägungen müssten für das Verfahren nach dem FamFG erst recht gelten. Nach § 69 Abs. 3 FamFG seien auf das Beschwerdeverfahren die Vorschriften über den Beschluss der ersten Instanz anzuwenden. Im Beschwerdeverfahren könnten auch – im Gegensatz zur ZPO – neue Tatsachen und Beweismittel uneingeschränkt vorgebracht werden (§ 65 Abs. 3 FamFG). Schon daraus werde deutlich, dass das Beschwerdegericht eine vollständige Prüfung des Sachverhalts vorzunehmen habe, mit der Folge, dass von ihm eigene Ermessenserwägungen anzustellen seien.

Die zitierte Entscheidung ist zwar im Zusammenhang mit einer Billigkeitsentscheidung nach § 18 VersAusglG ergangen. Die dargestellten Erwägungen gelten nach Auffassung des Senats jedoch auch für die Kostenentscheidung. Die Kostenentscheidung unterliegt dem gleichen Rechtsmittel wie die Hauptsacheentscheidung, nämlich der Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG. Eine Beschränkung des Tatsachenvorbringens ergibt sich auch für die Kostenentscheidung nicht aus dem Gesetz. Das Beschwerdegericht ist auch insoweit in vollem Umfang eine neue Tatsacheninstanz mit der Folge, dass es eine neue eigene Tatsachenentscheidung zu treffen hat und folglich von ihm auch eigene Ermessenserwägungen ohne Beschränkungen der Prüfungskompetenz verlangt werden (im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt FamRZ 2013, 1415 sowie Beschl. v. 22.11.2018 – 6 WF 169/18).

Die vom Senat auf der Grundlage des § 81 Abs. 1 FamFG vorzunehmende Billigkeitsabwägung führt zur Teilung der Gerichtskosten sowie dazu, dass die Beteiligten jeweils ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.

Ein Fall des § 81 Abs. 2 FamFG liegt nicht vor, insbesondere sind die Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 FamFG nicht gegeben, weil ein grobes Verschulden der Antragsgegnerin nicht ersichtlich ist.

Dies schließt allerdings nach der Rspr. des BGH (FamRZ 2016, 218; FamRZ 2014, 7446) nicht aus, dass das Obsiegen bzw. Unterliegen als einer von mehreren Billigkeitsaspekten bei der Kostenentscheidung nach § 81 Abs. 1 FamFG Berücksichtigung findet.

Für Kindschaftssachen entspricht es allerdings der gängigen Praxis und der h.M. der Oberlandesgerichte (Zöller-Feskorn, ZPO, 33. Aufl., § 81 FamFG Rn 6 m.N.), dass die Gerichtskosten geteilt werden und die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Dies wird damit begründet, dass es bei diesen Verfahren im Kern immer um das Kindeswohl geht und jeder Beteiligte aus seiner Sicht meint mit seinem Vorgehen dem Kindeswohl zu dienen. Vor diesem Hintergrund entspräche die dargestellte Kostenregelung der Billigkeit. Dieser Auffassung schließt sich der Senat aus den dargestellten Gründen an.

Im Ergebnis ist deshalb die Kostenentscheidung des FamG entsprechend abzuändern.

Die Kostenentscheidung für die Beschwerdeinstanz beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.

Die Festsetzung des Verfahrenswerts für die Beschwerdeinstanz ergibt sich aus dem Interesse der Antragsgegnerin.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 70 Abs. 2 FamFG), weil die Entscheidung des Senats im Einklang mit der Rspr. des BGH steht.

AGS 7/2020, S. 348 - 349

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