Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung nach Erledigungserklärung im Sorgeverfahren: Überprüfbarkeit richterlicher Ermessensausübung durch das Beschwerdegericht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist die Kostenentscheidung gemäß den § 81 Abs. 1 Satz 1, § 83 Abs. 2 FamFG in das Ermessen des erstinstanzlichen Gerichts gestellt, beschränkt sich die Überprüfungsmöglichkeit durch das Beschwerdegericht auf die Frage, ob das erstinstanzliche Gericht von seinem eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Eine fehlerhafte Ermessensentscheidung kann insbesondere vorliegen, wenn das Erstgericht für die Entscheidung die maßgeblichen Tatsachen nicht ermittelt oder sonst unberücksichtigt gelassen hat (Anschluss BGH, FamRZ 2007, 893).

2. Es entspricht in Umgangs- und Sorgesachen regelmäßig billigem Ermessen, die Verfahrenskosten gegeneinander aufzuheben und von der Erstattung außergerichtlicher Kosten abzusehen. Gemäß § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG soll das Gericht die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise auferlegen, wenn der Antrag eines Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und dieser das erkennen musste. Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass ein solcher Fall vorliegt, ohne dies jedoch näher zu begründen

3. Das Amtsgericht hat mit der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für die Antragstellerin zum Ausdruck gebracht, dass der Antrag hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Zudem hat das Amtsgericht einen mündlichen Verhandlungstermin für notwendig erachtet, die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten intensiv erörtert und eine sachverständige Begutachtung angeordnet. Nach alledem liegt ein Ermessensfehlgebrauch des erstinstanzlichen Gerichts vor.

4. Da die Kindesmutter davon ausgegangen ist, dass M. im Haushalt des Kindesvaters ungerecht behandelt wird und ein Wechsel auch dem geäußerten Kindeswillen entsprach, hat sie bei der gerichtlichen Durchsetzung ihres Begehrens vor allem das Kindeswohl im Auge gehabt. Der Senat ist daher befugt, selbst Ermessen auszuüben, was zur Aufhebung der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens führt.

 

Normenkette

FamFG § 81 Abs. 2 Nr. 2, § 83 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Sondershausen (Beschluss vom 27.11.2017; Aktenzeichen 4 F 159/17)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 15.12.2017, eingegangen am 18.12.2017, wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Sondershausen vom 27.11.2017, zugestellt am 4.12.2017, Az. 4 F 159/17, Nichtabhilfebeschluss vom 5.2.2018, wie folgt abgeändert:

Die Gerichtskosten des Verfahrens erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 1.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des am 6.1.2006 geborenen Kindes M. G.. Die Kindeseltern leben voneinander getrennt. M. lebt seit 2011 bei dem Kindesvater. Die Kindeseltern üben die elterliche Sorge gemeinsam aus.

Die Antragstellerin hat in einem Verfahren mit Antrag vom 24.2.2014 (AG Sondershausen, Az. 2 F 71/14) beantragt, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Die Antragstellerin hat im Termin vom 12.3.2014 ihren Antrag zurückgenommen und mit dem Antragsgegner einen Vergleich über den Umgang geschlossen.

Die Kindesmutter hat vorgetragen, M. wolle zu ihr nach L. wechseln. Die räumlichen Voraussetzungen seien hierfür gegeben. Die Kindesmutter bewohne eine 2 - Zimmer - Wohnung in einem geordneten Umfeld.

Sie habe ausreichend Zeit, sich um das Kind zu kümmern, da sie wegen Erwerbsunfähigkeit nicht berufstätig sei. Sie strebe allerdings eine ehrenamtliche Tätigkeit an. Den Umfang dieser Tätigkeit würde sie der Betreuung des Kindes unterordnen.

Er sei weder bei dem Vater noch in seinem jetzigen Umfeld gut aufgehoben. Er sei in der Schule misshandelt worden, habe im Januar durch Prügel einen Nasenbeinbruch erlitten und sei in eine Opferrolle hineingeraten. Dafür spreche die Nasenverletzung, die er in der Schule erlitten habe. Der Kindesvater habe keine Schritte unternommen, um M. in seiner schulischen Umgebung zu unterstützen und zu stärken. M. würde regelmäßig zu den Großeltern abgeschoben, da für den Kindesvater dessen Berufstätigkeit und die neue Familie im Vordergrund stehen. Auch das Verhältnis zur Stiefmutter sei nicht gut und seiner Entwicklung nicht förderlich.

Der Kindesvater habe hohe Schulden und könne jeden Mittelzufluss gebrauchen.

In L. habe M. hingegen seine Mutter, die für ihn sorge. Ferner könne er dort am umfangreichen sozialen Leben (Freizeitmöglichkeiten, Sportvereine etc.) teilnehmen. Auf diese Weise würde er in das für ihn zunächst fremde Umfeld schnell integriert werden. Umgangs- und Telefonkontakte habe sie eingehalten.

Bei ihr sei ein Grad der Behinderung in Höhe von 80 % festgestellt worden, der ausreiche, Kindesmutter und Kind einen angemessenen Lebensstandard zu gewährl...

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