Die weitere Beschwerde der Landeskasse ist kraft Zulassung nach §§ 55 Abs. 4, 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. 33 Abs. 6 RVG zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg; die angefochtene Entscheidung des LG Magdeburg beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts i.S.v. §§ 546, 547 ZPO analog. Insbesondere weist die Festsetzung der Gebühren zugunsten des Antragstellers für erbrachte Beratungshilfe in drei selbstständigen Angelegenheiten keinen Rechtsfehler auf.

I. Die Beantwortung der Frage, in welchem Umfange dem Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalt Gebührenansprüche erwachsen, hängt von der Auslegung des Begriffes der "Angelegenheiten" in § 2 Abs. 2 BerHG ab.

1. Das Gebührenrecht des RVG regelt unmittelbar nur die Höhe einer einzelnen Gebühr und deren Abgeltungsumfang.

Nach § 44 S. 1 RVG erhält der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe eine Vergütung von der Staatskasse in Höhe der nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Anlage 1, Teil 2, Abschnitt 5 VV (Nr. 2500 bis 2508) vorgesehenen Gebühr. Die Gebühr ist in den vorgenannten Vorschriften als Pauschalbetrag, unabhängig vom Wert des bzw. der Gegenstände der Beratung, geregelt. Nach § 15 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 RVG entgilt die nur einmal anfallende Gebühr die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung in einer bestimmten Angelegenheit.

2. Voraussetzung für den Vergütungsanspruch ist die Erteilung eines Berechtigungsscheins außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens in einer Angelegenheit i.S.v. § 2 Abs. 2 BerHG. Damit bildet der beratungshilferechtliche Begriff der Angelegenheit die Grundlage für den Vergütungsanspruch des die Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalts; er erhält pro Angelegenheit i.S.v. § 2 Abs. 2 BerHG die gesetzlich vorgesehenen Pauschalgebühren.

3. Das BerHG enthält keine ausdrückliche Regelung zum Begriff der Angelegenheit i.S.v. § 2 Abs. 2 BerHG, auf die für die Vergütungsfestsetzung zurückgegriffen werden könnte.

Für die Vergütungsfestsetzung kann es nicht darauf ankommen, ob dem Antragsteller die Beratungshilfe im Rahmen eines oder mehrerer Berechtigungsscheine bewilligt worden ist. Auch dann, wenn sich die Bewilligung in nur einem Berechtigungsschein auf mehrere Angelegenheiten bezieht, ist ein Gebührenanspruch für jede der Angelegenheiten begründet. Zwar soll nach § 6 Abs. 1 BerHG der im Rahmen des Bewilligungsverfahrens auszustellende Berechtigungsschein die Angelegenheit, für die eine Beratungshilfe gewährt wird, genau bezeichnen. Eine gesonderte Prüfung, ob die zu gewährende Beratungshilfe sich auf eine oder mehrere verschiedene Angelegenheiten bezieht, ist jedoch nicht geboten. Teilweise wird eine abschließende Beurteilung dieser Frage im Vorfeld der Gewährung der Beratung u.U. auch nicht möglich sein (vgl. nur OLG Köln, Beschl. v. 9.2.2009 – 16 Wx 252/08, FamRZ 2009, 1345 [= AGS 2009, 422]; OLG Dresden, Beschl. v. 7.2.2011 – 20 W 1311/10, FamRZ 2011, 1684 [= AGS 2011, 138]).

4. Für die Auslegung des beratungshilferechtlichen Begriffs der Angelegenheit kann wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Rechtsordnung unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Beratungshilfe auf Erkenntnisse zum gleichlautenden gebührenrechtlichen Begriff im RVG zurückgegriffen werden. Zwar ist auch der gebührenrechtliche Begriff der Angelegenheit nicht ausdrücklich gesetzlich bestimmt, für seine Auslegung bestehen jedoch weitere Anknüpfungspunkte. Dies betrifft insbesondere den Sinn der Begriffsbestimmung. Der gebührenrechtliche Begriff der Angelegenheit dient zur Abgrenzung desjenigen anwaltlichen zusammengehörigen Tätigkeitsbereichs, den eine Gebühr i.S.v. § 15 Abs. 1 RVG abdecken soll. Unter Berücksichtigung dieses Regelungszwecks ist davon auszugehen, dass für die Zuordnung einzelner Gegenstände zu einer Angelegenheit jedenfalls regelmäßig ein einheitlicher Lebensvorgang vorliegen muss (vgl. Hartmann, KostG, 42. Aufl. 2012, § 15 RVG Rn 9 ff., insbes. 14 m.w.N.). Insoweit kommt es jedoch nicht auf den u.U. auch bei mehreren verschiedenen Angelegenheiten einheitlichen Anlass der Beauftragung, d.h. den Auslöser des Beratungsbedarfs, oder auf die – u.U. mehr oder weniger willkürliche – Zusammenfassung von Gegenständen in einem Auftrag an, sondern allein darauf, ob sich die anwaltliche Tätigkeit auf einen von anderen Sachverhalten abgrenzbaren Lebensvorgang bezieht und eine eigenständige anwaltliche Leistung erfordert (vgl. auch OLG Rostock, Beschl. v. v. 25.11.2010 – 10 WF 124/10). Zudem hat der Gesetzgeber in den Vorschriften der §§ 16 bis 19 RVG beispielhafte Aufzählungen vorgenommen, welche eine einfachere Ermittlung ermöglichen sollen, ob bei verschiedenen – allerdings überwiegend allein im Rahmen von gerichtlichen Verfahren ausgeübten – Tätigkeiten eine oder mehrere Angelegenheiten vorliegen (krit. dazu Hartmann, a.a.O., § 16 RVG Rn 1 f.).

5. Im Rahmen der Auslegung des beratungshilferechtlichen Begriffs der Angelegenheit ist schließlich zu berücksichtigen, ob dadurch u.U. eine derartige Vergütungsbegrenz...

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