Die zulässige Beschwerde des Bezirksrevisors ist begründet.

1.  Die Vertreterin der Nebenkläger ist mit der Geltendmachung der Schadensersatz-/Schmerzensgeldansprüche aufgrund der Adhäsionsanträge der Nebenkläger für mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit tätig geworden. Daher erhält sie die insoweit entstandenen Gebühren nur einmal (§§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 S. 1 RVG).

Dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 S. 1 RVG liegt dann vor, wenn Einigkeit über die gemeinsame Behandlung auch unterschiedlicher Ansprüche und in diesem Sinne ein einheitlicher Auftrag vorliegt, die Tätigkeit des Anwalts sich im gleichen Rahmen abspielt und ein innerer Zusammenhang der behandelten Gegenstände gegeben ist (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., § 15 Rn 6 ff. m. w. Nachw.). Das ist hier der Fall.

Die Vertreterin der Nebenkläger war zur Durchsetzung der Ansprüche beider Nebenkläger im Rahmen des Adhäsionsverfahrens beauftragt und wurde diesen durch das Gericht hierfür beigeordnet. Dies geschah im Rahmen desselben Strafverfahrens, dem das Adhäsionsverfahren gleichsam als Annex zuzuordnen ist. Der innere Zusammenhang ergibt sich aus der Geltendmachung beider Ansprüche der Adhäsionskläger in einem Verfahren gegenüber demselben Schuldner (vgl. Gerold/Schmidt a.a.O. Rn 8, 9). Die Tatsache, dass im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens unterschiedliche zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden, steht dem – entgegen der Auffassung der Rechtsanwältin – nicht entgegen (vgl. hierzu Gerold/Schmidt a.a.O. Rn 12), sondern berührt allein die Frage des Verfahrensgegenstands.

2.  Da es sich bei den Ansprüchen der Nebenkläger um verschiedene Gegenstände i.S.d. RVG handelt, werden die Gegenstandswerte – hier jeweils 2.500,00 EUR – gem. § 22 RVG addiert.

Der Begriff "dieselbe Angelegenheit" aus §§ 7, 15 RVG und der Gegenstandsbegriff sind sorgfältig zu trennen. Während die Frage, ob der Anwalt in "derselben Angelegenheit" tätig geworden ist, unter Anlegung der unter Nr. 1 dargestellten Kriterien beantwortet wird, ist für den Gegenstandsbegriff auf die wirtschaftliche Identität abzustellen. Derselbe Gegenstand liegt bei Vertretung mehrerer Auftraggeber dann vor, wenn der Rechtsanwalt für diese Auftraggeber wegen desselben Rechts oder Rechtsverhältnisses tätig wird und sie insoweit eine Rechtsgemeinschaft oder eine dieser gleichgestellte Gemeinschaft sind (Gerold/Schmidt a.a.O. 1008 VV Rn 135). Das ist hier nicht der Fall.

Den Nebenklägern steht das im Rahmen des Adhäsionsverfahrens geltend gemachte Recht jeweils allein zu. Sie sind nicht aufgrund derselben strafbaren Handlung an demselben Rechtsgut geschädigt worden, sondern machten im Rahmen derselben Angelegenheit als Opfer verschiedener zu ihrem jeweiligen Nachteil begangener Straftaten zivilrechtliche Ansprüche geltend und traten insofern auch nicht als Rechtsgemeinschaft (etwa Gesamtgläubiger) auf. Dies führt gem. § 22 Abs. 1 RVG zu einer Addition der Gegenstandswerte; eine Erhöhung nach Nr. 1008 VV der so nach einem Gegenstandswert von 5.000,00 EUR ermittelten und nur einmal geltend zu machenden Gebühren findet entgegen der Ansicht der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des LG nicht statt, da dieser Gebührentatbestand bei Wertgebühren – solche sind hier entstanden – an eine Gegenstandsidentität anknüpft, die hier nicht gegeben ist (vgl. zum Ganzen auch Gerold/Schmidt a.a.O., Nr. 1008 VV Rn 134).

3.  Mit dem Abschluss des Vergleichs über die Leistung von Schadensersatz/Schmerzensgeld im Adhäsionsverfahren ist die ermäßigte 1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 i.V.m. Nr. 1003 VV entstanden. Die Ermäßigungsvorschrift der Nr. 1003 VV ist anzuwenden, weil mit dem Strafverfahren bereits ein anderes gerichtliches Verfahren über den Einigungsgegenstand anhängig war (vgl. hierzu OLG Köln AGS 2009, 29 f.). Die von der Vertreterin der Nebenkläger in diesem Zusammenhang herangezogene Vorschrift Nr. 4146 VV ist nicht einschlägig, sie betrifft Verfahren über einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung oder über die Beschwerde gegen eine den Rechtszug beendende Entscheidung nach dem StrRehaG.

4.  Die Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV kann im Rahmen einer Angelegenheit – worauf der Bezirksrevisor zutreffend hinweist – nur einmal berechnet werden (Gerold/Schmidt a.a.O., 7002 Rn 21). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift und führt dazu, dass die Vertreterin der Nebenkläger für deren Vertretung im Strafverfahren und für die Geltendmachung der Schadensersatz-/Schmerzensgeldansprüche im Wege des Adhäsionsverfahrens – also in derselben Angelegenheit – nur eine Auslagenpauschale beanspruchen kann.

Nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen kann die Vertreterin der Nebenkläger für ihre Tätigkeit insgesamt fordern:

 
Praxis-Beispiel
 
Grundgebühr gem. Nr. 4100 VV RVG 132,00 EUR
Vorverfahrensgebühr gem. Nr. 4104 VV RVG 112,00 EUR
Erhöhung der Vorverfahrensgebühr um 0,3 gem. Nr. 1008 VV RVG 33,60 EUR
Verfahrensgebühr gem. Nr. 4112 VV 124,00 EUR
Erhöhung der Verfahrensgebühr um 0,3 gem. Nr. 1008 VV RVG 37,20...

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