§ 58 Abs. 1 GKG; Nrn. 2310, 2320 GKG KV

Leitsatz

  1. Wird das Unternehmen vom Insolvenzverwalter fortgeführt, kann insoweit in die Berechnungsgrundlage für die Gerichtskosten nur der Überschuss eingestellt werden.
  2. Dies gilt auch für Fälle vor dem 1.1.2021.

OLG München, Beschl. v. 15.2.2022 – 11 W 1320/21

I. Sachverhalt

In einem Insolvenzverfahren wurde durch den Verwalter eine Betriebsfortführung vollzogen. Der Rechtspfleger legte am Verfahrensende für den Wert der Gerichtskosten nach § 58 Abs. 1 GKG, Nrn. 2310 und Nr. 2320 GKG KV für die Gerichtskostenrechnung einen Wert von 2.807.418,00 EUR zugrunde. Dabei erfolgte unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Münchens v. 8.8.2012 (11 W 832/12) kein Abzug der Kosten der Betriebsfortführung. Gegen diesen Wertansatz wurde Erinnerung erhoben, der der Rechtspfleger unter Bezugnahme auf die (bisherige) Rechtsansicht des OLG München nicht abhalf. Auch das Insolvenzgericht blieb im Anschluss im Hinblick auf die Entscheidung und bisherige Ansicht des OLG Münchens v. 8.8.2012 (s.o.) bei dieser Auffassung. Der Insolvenzverwalter legte daraufhin unter Bezugnahme auf seine bisherige Begründung, die im Wesentlichen auf der zum 1.1.2021 eingetretenen gesetzlichen Regelung beruhe, welche einen Abzug der Betriebsausgaben vorsehe und welche nur klarstellenden Charakter habe, Beschwerde ein. Die Staatskasse beantragte eine Zurückweisung der Beschwerde. Das angerufene LG wies das Rechtsmittel zurück, worauf der Insolvenzverwalter weitere Beachwerde einlegte. Das final angerufene OLG München gab dem Insolvenzverwalter Recht und sah eine Begründetheit des Rechtsmittels. Wird das Unternehmen vom Insolvenzverwalter fortgeführt, kann insoweit in die Berechnungsgrundlage für die Gerichtskosten nur der Überschuss nach Abzug der Betriebsausgaben eingestellt werden.

II. Neuregelung

Mit Wirkung zum 1.1.2021 ist § 58 Abs. 1 GKG dergestalt angepasst worden, wonach für den Zeitraum einer Betriebsfortführung lediglich der Einnahmeüberschuss bei der Berechnung der Gerichtskosten zugrunde zu legen ist.

III. Altfälle

Nach dem unmissverständlichen Wortlaut der Übergangsregelung in § 71 Abs. 3 GKG ist die neue Fassung des § 58 Abs. 1 S. 3 GKG nur auf die Kosten anzuwenden, die nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung fällig werden. In sog. Altfällen ist die Rechtslage umstritten. Teilweise gingen Gerichte vom Brutto-Prinzip aller Einnahmen aus, so bisher auch das OLG München (Beschl. v. 8.8.2012 – 11 W 832/12). Eine andere Ansicht vertritt den sog. "Netto-Ansatz". Danach ergebe sich der Gegenstandswert für die Gerichtskosten auch schon vor der Neufassung des § 58 Abs. 1 GKG nach dem wirtschaftlichen Wert der bei Beendigung des Insolvenzverfahrens vorhandenen Insolvenzmasse, wie ihn der Verwalter bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens realisieren konnte, wobei die Betriebsausgaben abzuziehen sind (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.3.2012 – I-3 W 286/11, juris Rn 8; Beschl. v. 10.2.2015 – I-3 W 20/14, juris Rn 4; Beschl. v. 19.9.2019 – 3 W 46/19, juris Rn 5 ff.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.4.2014 – 8 W 149/14, juris Rn 12 ff.; OLG Hamm, Beschl. v. 18.1.2013 – I-25 W 262/12, ZIP 2013, 470; Beschl. v. 14.5.2013 – I-15 W 198/12, juris Rn 8; OLG Nürnberg, Beschl. v. 12.8.2020 – 5 W 421/20, juris Rn 16 ff.).

IV. Aufgabe bisheriger Ansicht

Das OLG München hält angesichts der Fülle an zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen zugunsten des Netto-Prinzips an früherer Rspr. und insbesondere am Beschl. v. 8.8.2012 (s.o.) fest. Zwar – so das OLG München – ergebe sich, dass die zwischenzeitlich zum 11.2021 erfolgte gesetzliche Änderung nicht auf Altfälle anwendbar sein soll. Dennoch sei wie bei § 63 Abs. 1 S. 2 InsO auch § 58 Abs. 1 S. 1 GKG insoweit auszulegen, dass bereits "bisher" ein Ansatz gerechtfertigt sei. Das OLG München ist der Auffassung, wonach sich der Wert der Insolvenzmasse nach § 63 Abs. 1 InsO nach dem wirtschaftlichen Wert der Insolvenzmasse, wie ihn der Insolvenzverwalter bis zum Abschluss des Verfahrens hat realisieren können, richtet. Bei der Berücksichtigung der Insolvenzmasse "am Ende des Verfahrens" sei aber regelmäßig vom Nettowert auszugehen, da diese am Ende bereits um die betrieblichen Ausgaben bereinigt sei. Bereits § 58 Abs. 1 S. 1 GKG sei ebenso wie § 63 Abs. 1 S. 2 InsO dahingehend auszulegen, dass im Falle der Betriebsfortführung durch den Insolvenzverwalter die Ausgaben abzuziehen sind. Nach § 58 Abs. 1 S. 1 GKG sind die Gerichtsgebühren nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens zu bestimmen. In § 58 Abs. 1 S. 1 GKG sei anders als in §§ 3537 InsO nicht von der Insolvenzmasse als Summe der hierzu zählenden Vermögensgegenstände oder von dem Wert aller Gegenstände, die während des Verfahrens zur Insolvenzmasse gehörten, die Rede, sondern von dem Wert, den die Insolvenzmasse im Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens habe. Anders als § 35 InsO, bei dem die Eröffnung und der Verlauf des Verfahrens im Vordergrund stehen, stellen § 58 Abs. 1 S. 1 GKG und § 63 Abs. 1 S. 2 InsO ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung ab. Es geht um de...

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