Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist zulässig und begründet (§§ 165, 151 VwGO). Der Einzelrichter folgt der Auffassung der Antragstellerin (Beklagten) hinsichtlich der zu erstattenden Geschäftsgebühr für die anwaltliche Vertretung des Antragsgegners im Vorverfahren.

Die Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwälte bestimmt sich nach §§ 1, 2 Abs. 2 RVG i.V.m. dem VV.

Nach Nr. 2300 VV erhält der Rechtsanwalt für eine außergerichtliche Vertretung eine Geschäftsgebühr von 0,5 bis 2,5. Dabei handelt es sich um eine Rahmengebühr nach § 14 RVG. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (Anm. zu Nr. 2300 VV). Ist eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen, so beträgt nach Nr. 2301 VV die Gebühr Nr. 2300 VV für das weitere, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende Verwaltungsverfahren 0,5 bis 1,3. Bei der Bemessung der Gebühr ist nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren geringer ist (Anm. Abs. 1 zu Nr. 2301 VV). Eine Gebühr von mehr als 0,7 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (Anm. Abs. 2 zu Nr. 2301 VV).

Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen von Nr. 2301 VV erfüllt. Die im Verfahren nach § 164 VwGO zu vollziehende Kostengrundentscheidung bezieht sich wegen des Ausspruchs nach § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO auch auf die Anwaltskosten des Vorverfahrens, nicht jedoch auf die Kosten der anwaltlichen Vertretung im vorangegangenen Verwaltungsverfahren. Nach Nr. 2301 VV ist gleichwohl bei der Bemessung der Gebühr zu berücksichtigen, dass eine anwaltliche Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist. Der anwaltliche Vertreter des Antragsgegners ist bereits vor Erlass des in das Klageverfahren einbezogenen Bescheides v. 7.3.2008, der auch mit einem Widerspruch angegriffen wurde, für den Antragsgegner tätig geworden. Es gilt deshalb der Gebührenrahmen gem. Nr. 2301 VV. Da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Tätigkeit im Vorverfahren umfangreich oder schwierig war, kann eine Gebühr von mehr als 0,7 nicht in Ansatz gebracht werden.

Hieran ändert sich auch dadurch nichts, dass es sich bei der erhobenen Klage (zunächst) um eine Untätigkeitsklage handelte, die bereits ohne das später durchgeführte Vorverfahren zulässig war. An der kostenrechtlichen Trennung von vorausgehendem Verwaltungsverfahren, Vorverfahren und Klageverfahren (vgl. § 17 Nr. 1 RVG) ändert sich bei einer Untätigkeitsklage nichts.

Um einen Fall der "Anrechnung" einer Gebühr handelt es sich dabei nach Auffassung des Einzelrichters nicht. Nr. 2301 VV enthält keine Anrechnungsvorschrift, sondern es bleibt bei den getrennten Angelegenheiten; der Gebührenrahmen für das Widerspruchsverfahren wird aber auf 0,5 bis 1,3 reduziert (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, 3. Aufl. 2008, Nr. 2301 VV Rn 3; vgl. auch Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, VV 2300, 2301, Rn 30: "Ermäßigung"). Somit kommt eine Anwendung des § 15a RVG, der durch Art. 7 Abs. 4 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften (BGBl I S. 2449) in das RVG eingefügt worden und am 5.8.2009 in Kraft getreten ist, nicht in Betracht. Auf den Streit, inwieweit diese Vorschrift bei sogenannten Altfällen heranzuziehen ist und ob der Bestimmung lediglich klarstellende oder eine weitergehende Bedeutung zukommt, kommt es nicht an (vgl. dazu zuletzt etwa Bay. VGH, Beschl. v. 23.2.2010–4 C 10.152; siehe ferner BGH, Beschl. v. 2.9.2009 – II ZB 35/07, NJW 2009, 3101; Beschl. v. 29.9.2009 – X ZB 1/09, NJW 2010, 76).

In der Folge der Anwendung von Nr. 2301 VV reduziert sich hier die Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Vertretung von 631,80 EUR (1,3-fache Gebühr bei einem Streitwert von 10.000,00 EUR) auf 340,20 EUR (0,7-fache Gebühr). Dies wirkt sich – was ebenfalls zu berücksichtigen ist, wenngleich es zulasten der Antragstellerin geht (vgl. zur Problematik der Saldierung allerdings auch Neumann, in Sodan/Ziekow, 2. Aufl. 2006, § 165 Rn 24 f.) – bei der Verfahrensgebühr aus, die sich von 315,90 EUR (1,3-fache Gebühr abzüglich 0,65-fache Gebühr) auf 461,70 EUR (1,3-fache Gebühr abzüglich 0,35-fache Gebühr) erhöht (vgl. Nr. 3100 VV i.V.m. Vorbem. 3 Abs. 4 VV). Die dem Antragsgegner zu erstattenden Kosten werden daher auf insgesamt 2.316,80 EUR festgesetzt; von der Übertragung der Neufassung des Kostenfestsetzungsbeschlusses auf den Urkundsbeamten (vgl. zu dieser Möglichkeit nach § 173 VwGO i.V.m. § 573 Abs. 1 S. 3, § 572 Abs. 3 ZPO: BayVGH, Beschl. v. 3.12.2003–1 N 01.1845, NVwZ-RR 2004, 309; Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 165 Rn 9) wird abgesehen.

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