§ 51 RVG; §§ 195 ff. BGB

Leitsatz

  1. Die Verjährungsfrist für die Gewährung einer Pauschgebühr wird ausschließlich durch den Eingang des Pauschgebührenantrags bei dem zur Entscheidung berufenen OLG gewahrt, während der Eingang des Antrags bei einem unzuständigen Gericht keinen Einfluss auf Lauf der Verjährung hat.
  2. Beruft sich die Staatskasse auf den Eintritt der Verjährung, handelt es sich nur dann um eine unzulässige Rechtsausübung, wenn ein grober Verstoß gegen § 242 BGB vorliegt.

OLG Hamm, Beschl. v. 27.2.2024 – III-5 AR 7/24

I. Sachverhalt

Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger des Angeklagten in einem Verfahren mit dem Vorwurf des Totschlags. Er ist der Verurteilten am 1.11.2017 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Nach Teilaufhebung eines ersten Urteils und Zurückverweisung durch den BGH verurteilte das LG Bochum die Verurteilte am 25.9.2019 wegen Totschlags. Mit Beschl. v. 12.2.2020 hat der BGH die gegen dieses Urteil gerichtete Revision verworfen.

Mit Schriftsatz vom 14.12.2023, eingegangen beim LG Bochum am selben Tag, hat der Pflichtverteidiger beantragt, ihm eine Pauschvergütung gem. § 51 RVG zu bewilligen. Beim OLG ging der Antrag nach dem 15.1.2024 ein. Die Vertreterin der Staatskasse hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das OLG hat den Antrag zurückgewiesen.

II. Verjährungseinrede greift …

Der Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 S. 1 RVG war nach Auffassung des OLG zurückzuweisen, da die von der Vertreterin der Staatskasse erhobene Verjährungseinrede (§ 214 BGB) durchgreife. Der Anspruch des Pflichtverteidigers auf Bewilligung einer Pauschgebühr verjähre nach allgemeiner Auffassung in entsprechender Anwendung des § 195 BGB in drei Jahren (OLG Hamm, Beschl. v. 14.7.2014 – III 5 RVGs 57/14 und v. 23.1.2020 – III 5 RVGs 71/19, s. auch KG NStZ-RR 2015, 296; OLG Braunschweig RVGreport 2019, 214 = JurBüro 2019, 298; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 26. Aufl., 2023, § 51 Rn 52 m.w.N.). Die Verjährungsfrist beginne entsprechend § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB in dem Jahr, in welchem der Vergütungsanspruch fällig geworden sei, und damit mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens (KG, a.a.O.; OLG Braunschweig, a.a.O.). Da das dem Vergütungsanspruch zugrundeliegende Verfahren mit der Verwerfung der Revision am 12.2.2020 rechtskräftig abgeschlossen wurde, habe die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2023 geendet.

III. … da keine Hemmung

Die Verjährungsfrist sei hier durch den Pauschgebührenantrag des Rechtsanwalts vom 14.12.2023 nicht rechtzeitig gehemmt worden. Die Verjährungsfrist werde ausschließlich durch den Eingang des Pauschgebührenantrags bei dem zur Entscheidung berufenen OLG gewahrt, während der Eingang des Antrags bei einem unzuständigen Gericht keinen Einfluss auf den Lauf der Verjährung habe (OLG Braunschweig, a.a.O.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 51 Rn 54). Vorliegend sei der Antrag erst am 15.1.2024 und damit nach Ablauf der Verjährungsfrist beim OLG Hamm eingegangen.

IV. Keine unzulässige Rechtsausübung

Die Erhebung der Verjährungseinrede durch die Vertreterin der Staatskasse stellt nach Auffassung des OLG Hamm auch keine unzulässige Rechtsausübung i.S.v. § 242 BGB dar. Eine unzulässige Rechtsausübung sei nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände vorlägen, die die Einrede als groben Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen ließen (Beck OK BGB/Henrich: Stand: 1.2.2023, § 214 BGB Rn 9). Voraussetzung hierfür sei, dass der Schuldner den Gläubiger durch sein Verhalten objektiv – sei es auch unabsichtlich – davon abgehalten habe, verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen und die spätere Verjährungseinrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar wäre (BGH NJW-RR 2022, 740 m.w.N.). Insofern sei ein strenger Maßstab anzulegen (BGH, Beschl. v. 6.11.2018 – XI ZR 369/18).

Hiervon ausgehend könne vorliegend ein grober Treueverstoß nicht darin erblickt werden, dass das LG Bochum den am 14.12.2023 eingegangenen Antrag nicht verjährungsfristwahrend bis zum 31.12.2023 an das OLG weitergeleitet habe. Da die Prüfung der Verjährungsfrist nicht zu den Aufgaben des LG gehöre, käme ein grober Treueverstoß allenfalls dann in Betracht, wenn sich dem LG die Eilbedürftigkeit der Weiterleitung hätte aufdrängen müssen und es gleichwohl die unverzügliche Weiterleitung des Antrags unterlassen habe. Dies sei indes nicht der Fall. Im Pauschvergütungsantrag werde zum einen nicht auf die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit hingewiesen. Zum anderen hätten unter Berücksichtigung der Weihnachtsfeiertage zwischen Antragseingang und Ablauf der Verjährungsfrist lediglich neun Arbeitstage gelegen. Dass in dieser Zeitspanne keine Weiterleitung an das OLG erfolgt, stelle jedenfalls bei mangelndem Hinweis auf die Eilbedürftigkeit keine grobe Treuwidrigkeit dar.

V. Bedeutung für die Praxis

1. Die rechtlichen Ausführungen des OLG zum Eintritt der Verjährung und der nicht erfolgten Hemmung des Ablaufs der Verjährungsfrist sind zutreffend. Es ist nun mal h.M., dass nur der Eingang des Pauschgebührantrages beim zuständigen OLG die Verjährungsfrist unterbricht (s. auch Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG S...

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