Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand

Diese wenig schmeichelhafte Beurteilung der Qualität der Rspr. wird oftmals dann bemüht, wenn ein Prozess verloren gegangen ist und sich die vom Anwalt dargestellten Erfolgsaussichten für den Mandanten nicht bewahrheitet haben.

Nun ist sicherlich einzuräumen, dass Entscheidungen, die einer Partei nicht zusprechen, nicht zwangsläufig die Qualität und die Kompetenz des angerufenen Gerichts infrage stellen müssen.

Noch weniger ist es dann hilfreich, Gott für alles verantwortlich zu machen.

Was man allerdings von einer funktionierenden Justiz und insbesondere von den angerufenen Gerichten erwarten kann, ist die Kenntnis von Gesetzestexten, die hoffentlich vorhandene Kenntnis von Rspr. und notfalls der Blick in einen einschlägigen Kommentar.

Dass dieser – berechtigten – Erwartungshaltung vom Sächsischen LAG nicht entsprochen wurde, wird nicht nur durch die Dürftigkeit des Umfanges der Begründung deutlich, sondern noch mehr durch die Dürftigkeit des Inhalts und der offenbarten Unfähigkeit, die Rspr. anderer Gerichte zu verstehen und zutreffend zu interpretieren.

So wird die angebliche Unzulässigkeit der Beschwerde mit einer Rspr. begründet, die lediglich die Selbstverständlichkeit bestätigt, dass der Rechtsschutzversicherer als nicht unmittelbar Beteiligter an einem Prozess nicht beschwerdeberechtigt ist! Wohl wahr, und weil dies eben so ist und weil auch der Rechtsschutzversicherer nicht rechtlos gestellt und nicht als Melkkuh der Nation missbraucht werden soll, ist es dem Versicherer eben gestattet, bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines Streitwertbeschlusses den – beschwerdeberechtigten – Versicherungsnehmer anzuweisen, eine Beschwerde einzureichen und zu begründen.

Weigert sich der Versicherungsnehmer, so begeht er eine Obliegenheitsverletzung und wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass eine Beschwerde begründet gewesen wäre, so verliert der Versicherungsnehmer seinen Kostenerstattungsanspruch gegen den Rechtsschutzversicherer.

Und weil dies so ist, unterliegt es naturgemäß natürlich erst recht keinen rechtlichen Bedenken, wenn mit der stets zulässigen Beschwerde des Beschwerdeführers auch oder auch nur die Bedenken der Rechtsschutzversicherung dieser Partei weitergegeben werden.[1]

Ganz besonders deutlich hat es das AG Hamburg – in einer Entscheidung v. 6.10.1999[2] bereits! – auf den Punkt gebracht:

 
Hinweis

"Eine rechtsschutzversicherte Partei verstößt grob fahrlässig gegen ihre Schadensminderungspflicht gem. § 62 Abs. 1 S. 1 GKG, wenn sie bzw. ihr Verfahrensbevollmächtigter es unterlässt, gegen einen (offensichtlich) fehlerhaften Streitwertbeschluss (hier: in einem selbstständigen Beweisverfahren) Streitwertbeschwerde gem. § 25 Abs. 3 GKG einzulegen."

Und auch das AG Charlottenburg hat am 28.6.1990 entschieden, dass der Versicherungsnehmer die Leistungsfreiheit seines Rechtsschutzversicherers herbeiführt, wenn er einer Bitte des Versicherers, Streitwertbeschwerde einzulegen, nicht entspricht.[3]

Diese hier nur auszugsweise wiedergegebenen Entscheidungen belegen, dass es dem hier auch noch als Einzelrichter tätig gewordenen Vorsitzenden Richter am LAG keineswegs unmöglich gewesen wäre, seinen Rechtsirrtum zu vermeiden, wenn er nur einen Blick in die Rspr. getätigt hätte.

Möglicherweise – dies ist jetzt aber ein wenig böswillig – sah er hierzu keine Veranlassung, da ja die Möglichkeit bestand, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen und dem geschädigten Beschwerdeführer mitzuteilen, dass gegen seine Entscheidung ein Rechtsmittel daher nicht gegeben sei.

Unter diesen Umständen kann nur gehofft werden, dass das inzwischen angerufene BVerfG die Dinge wieder ins Lot bringt.

Man kann das, was hier geschehen ist, auch nicht damit rechtfertigen, dass hier ein recht überschaubarer Schaden für den Beschwerdeführer bzw. den dahinterstehenden Rechtsschutzversicherer im Raume steht.

Dass es gut und richtig ist, selbst rechtsschutzversicherten Mandanten die eigentliche selbstverständliche Wohltat zuzubilligen, im Gesetz nachzulesende Rechtsmittel einzulegen, bewies ein anderer Fall, den der Unterzeichnete zu einem beachtlichen Teilerfolg führen konnte.

So hatte ein Arbeitsgericht nach einem Vergleich in der Güteverhandlung den Streitwert auf Zuruf des Klägervertreters auf 30 Mio. EUR festgelegt, was den Rechtsschutzversicherer mit Anwaltskosten i.H.v. mehr als 400.000,00 EUR belastete.

Auf die Beschwerde der Partei hin, vertreten durch den Unterzeichneten, die übrigens hier der rechtsschutzversicherte Mandant tatkräftig in voller Überzeugung unterstützt hatte, wurde der Gegenstandswert bereits durch das ArbG auf 10 Mio. reduziert, was zu einer Gebührenersparnis von knapp 250.000,00 EUR führte.

Die aufrechterhaltene weitergehende Beschwerde mit dem Ziel, zu einer weiteren Herabsetzung zu gelangen, wurde vom Hessischen LAG zwar ebenso zurückgewiesen, wie die Beschwerde der damaligen Prozessbevollmächtigten gegen den Abänderungsbeschluss des ArbG; was aber keine Rolle spielte, weder im B...

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