Der noch nicht rechtskräftig entschiedene Teil des Rechtsmittels (Strafverteidigerhonorar) ist teilweise begründet. Der Beklagte schuldet dem Kläger insoweit nur noch 9.170,94 EUR nebst Zinsen.

II.  Der Auffassung des Klägers, die Überprüfung der Honorarvereinbarung sei dem Senat aufgrund des Revisionsurteils v. 19.5.2009 generell entzogen, ist nicht zu folgen. Denn dieses Urteil hat sich ausschließlich mit der formellen Wirksamkeit der Vereinbarung befasst und diese bejaht. Ausdrücklich hat der BGH die Sache zur Überprüfung der Berufungsangriffe des Beklagten gegen den Vergütungsanspruch zurückverwiesen. Damit steht einer Befassung mit dem Inhalt der Vereinbarung, insbesondere mit ihrer Angemessenheit im Hinblick auf die gesetzlichen Höchstgebühren für die Strafverteidigertätigkeit des Klägers nicht nur nichts im Wege, sie ist vielmehr geboten.

III.  Der Kläger hat ausweislich der Honorarrechnung i.V.m. der Zeitaufzeichnung entgegen der Feststellung im angefochtenen Urteil nicht "minutiös", sondern er hat an den 23 Tagen, an denen er vertraglich geschuldete Leistungen erbracht hat, in 21 Fällen jeweils volle Stunden zwischen einer und acht Stunden, einmal eine halbe und in einem weiteren Fall eine Viertelstunde abgerechnet (insgesamt 23 Zeittakte) und kommt auf diesem Weg zu einem Zeitaufwand von insgesamt 92,75 Stunden. Der Kläger meint, diese Abrechnungsweise sei mit Blick auf die vereinbarte Zeittaktklausel (Nr. 1 Abs. 1 S. 2 Honorarvereinbarung) gedeckt. Das ist indes nicht der Fall. Die Zeittaktklausel ist, wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. Urt. v. 29.6.2006 – I-24 U 196/04, AGS 2006, 530 = NJW-RR 2007, 129, 130) und woran er nach erneuter Prüfung festhält, unwirksam (a.A. OLG Schleswig AGS 2009, 209 m. zust. Anm. Schons = zfs 2009, 345 m. zust. Anm. Hansens).

1.  Die Zeittaktklausel verstößt gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil sie strukturell geeignet ist, das dem Schuldrecht im Allgemeinen und dem Dienstvertragsrecht im Besonderen zugrunde liegende Prinzip der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung (Äquivalenzprinzip) empfindlich zu verletzen, wodurch der Verwendungsgegner unangemessen benachteiligt wird (zur Anwendung der AGB-Bestimmungen auf vorformulierte Nebenabreden in Honorarvereinbarungen vgl. Bunte, NJW 1981, 2657, 2658; Hartmann, KostG, 38. Aufl., § 4 RVG Rn 24 Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 18. Aufl., § 3a Rn 53; Mayer/Kroiß/Teubel, RVG, 2. Aufl., § 4 Rn 130 ff.; Mayer, AGB-Kontrolle und Vergütungsvereinbarung, AnwBl 2006, 168, 169).

a)  Die Parteien haben durch die gem. § 307 Abs. 3 BGB keiner Inhaltskontrolle unterliegende Preisabrede vereinbart, dass der Zeitaufwand des Klägers mit 450,00 DM/Std. [230,08 EUR/Std.] vergütet werden soll. Damit ist das maßgebliche Äquivalenzverhältnis von voller Leistung und Gegenleistung (der gerichtlichen Inhaltskontrolle entzogen) privatautonom bestimmt. Daraus folgt gleichzeitig, dass der Wert eines Zeitaufwands, der nur den Bruchteil einer Stunde ausmacht, auch nur dem entsprechenden Bruchteil der Stundenvergütung entspricht.

b)  Von dieser vertraglich vorausgesetzten Äquivalenz weicht die vorformulierte Zeittaktklausel in ganz erheblicher Weise ab. Sie ist nämlich geeignet, die ausbedungene vollwertige Leistung, wie sie der Mandant nach Gegenstand und Zweck des Vertrages erwarten darf, unangemessen zu verkürzen. Sie unterliegt deshalb als Preisnebenabrede, der keine Leistung des Klägers (Verwenders) im Interesse des Beklagten als Verwendungsgegner entspricht, der Inhaltskontrolle (vgl. nur BGH NJW 1987, 1931 m.w.N.; NJW 2002, 2386; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 307 Rn 62 m.w.N.). Die Unangemessenheit der Zeittaktklausel ergibt sich aus folgenden Umständen:

aa)  Nach ihr ist nicht nur jede Tätigkeit des Klägers, die etwa nur wenige Minuten oder gar auch nur Sekunden in Anspruch nimmt (z.B. ein kurzes Telefongespräch, Personalanweisungen, kurze Rückfragen, das Lesen einfacher und kurzer Texte), im Zeittakt von jeweils 15 Minuten zu vergüten, sondern auch jede länger andauernde Tätigkeit, die den jeweiligen Zeitabschnitt von 15 Minuten auch nur um Sekunden überschreitet, und zwar nicht beschränkt auf eine einmalige Anwendung z.B. am Ende eines Arbeitstages (diese Art der Rundung billigend z.B. Bischof, in: Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher, RVG, 3. Aufl., § 3a Rn 23), sondern gerichtet auf die stetige Anwendung auch mehrmals täglich.

bb)  Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob etwa, wie das bei der so genannten anwaltlichen Hot-Line-Beratung üblich ist (vgl. BGH NJW 2003, 819, 821), nur eine minutengerechte Abrechnung angemessen ist oder ob mit Blick darauf, dass der Rechtsanwalt z.B. bei der Entgegennahme eines auch nur kurzen Ferngesprächs aus seinem aktuellen Gedankenfluss und Arbeitsrhythmus herausgerissen wird und eine gewisse Zeit benötigt, um die unterbrochene Arbeit konzentriert fortsetzen zu können, formularmäßig ein angemessener Zeitzuschlag vereinbart werden darf (vgl. dazu z.B. Bischof...

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