Die nach §§ 32 Abs. 2 RVG, 68 Abs. 1 S. 1 GKG zulässige Beschwerde hat Erfolg.

a)  Nach § 48 Abs. 2 GKG ist der Streitwert in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Er darf bei einer Ehesache nicht unter 2.000,00 EUR angenommen werden; für die Einkommensverhältnisse ist das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute einzusetzen (§ 48 Abs. 3 S. 2 und S. 1 GKG).

Ob Arbeitslosengeld II die Einkommensverhältnisse der Parteien (mit-)bestimmt, ist umstritten: Mehrheitlich wird ihm eine Bedeutung für die Streitwertbestimmung mit der Begründung abgesprochen, der Bezug von Arbeitslosengeld II sei Ausdruck der Bedürftigkeit und nicht der Leistungsfähigkeit einer Partei (OLG Dresden NJW-RR 2007, 1161 f. unter Bezugnahme auf Zöller/Herget, ZPO, 26. Auflage, § 3 Stichwort "Ehesache"; OLG Rostock NJW-RR 2007, 1152: aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II folge, dass die Parteien nicht individuell belastbar seien; ebenso OLG Celle FamRZ 2006, 1690 f.: das Gesetz knüpfe hinsichtlich der Gebührenberechnung an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eheleute an, diese individuelle Belastbarkeit werde aber durch Sozialhilfe nicht bestimmt; Hanseatisches OLG Hamburg OLGR 2006, 269 m. Anm. von Götsche, jurisPR-FamR 19/2006 Anm. 2.).

Die Gegenansicht stellt darauf ab, dass § 48 Abs. 3 GKG die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien zum Maßstab mache, ohne danach zu unterscheiden, aus welcher Quelle das bezogene Einkommen stamme; auch Sozialleistungen beeinflussten unabhängig von deren Zweckbestimmung die wirtschaftliche Situation der Parteien (OLG Hamm FamRZ 2006, 632; OLG Frankfurt NJW-RR 2008, 310 f.; im Ergebnis ebenso Hartmann, KostG, 37. Aufl., § 48 GKG Rn 38; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl., Rn 1268).

b)  Der Senat schließt sich letztgenannter Auffassung an, und zwar aus folgenden Erwägungen:

aa)  Der Wortlaut des § 48 Abs. 2 GKG erklärt die Einkommensverhältnisse der Parteien ohne Rücksicht auf eine wirtschaftliche Belastbarkeit und ohne Unterscheidung nach der Einkommensquelle für maßgebend. Er bietet keinen Ansatz dafür, zwischen einem aus eigener Kraft erzielten Einkommen und einer "eigentlich" wegzudenkenden staatlichen Unterstützung zu unterscheiden. Die danach gebotene Gleichbehandlung aller die wirtschaftliche Lage einer Partei beeinflussenden Einkünfte macht – als Nebenwirkung – eine gerade im Bereich des Arbeitslosengeldes II häufig schwer zu treffende und von der ARGE aus Praktikabilitätserwägungen vielfach nicht vorgenommene Prüfung hinfällig, ob im Einzelfall die gewährte Leistung Sozialhilfecharakter oder Lohnersatzfunktion hat (für eine solche Differenzierung Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 3 Rn 32). Zugleich vermeidet diese Auslegung der Begriffe "Einkommensverhältnisse" und "Nettoeinkommen" i.S.d. § 48 Abs. 2 u. Abs. 3 GKG den Widerspruch, der darin läge, Arbeitslosengeld II im Rahmen des § 115 Abs. 1 ZPO jedenfalls dann als Einkommen zu behandeln, wenn es zusammen mit weiteren Einkünften die vorzunehmenden Abzüge übersteigt (vgl. BGH FamRZ 2008, 781 f.).

bb)  § 48 Abs. 3 S. 1 GKG, der für die Einkommensverhältnisse das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute für maßgebend erklärt, hindert nicht daran, Sozialleistungen zum Einkommen i.S.d. § 48 Abs. 2 S. 1 GKG zu zählen. Der Gesetzgeber beantwortet mit dem Abstellen auf das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen nur die nahe liegende Frage danach, ob und mit welchem Vervielfacher das Brutto- oder das Nettoeinkommen für die Streitwertbestimmung herangezogen werden soll; dass die Einkommensverhältnisse ausschließlich von Nettoeinkünften, also von Erwerbseinkommen, bestimmt sein sollten, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht im Wege eines Umkehrschlusses entnehmen.

cc)  Der Senat verkennt nicht, dass mit dem Einschluss von Sozialleistungen in den Einkommensbegriff die Festsetzung eines Mindestwerts von 2.000,00 EUR seine praktische Bedeutung nahezu einbüßt. Wie das OLG Frankfurt (NJW-RR 2008, 310 f. unter Bezugnahme auf AG Lüdenscheid FamRZ 2007, 750) ausführt, liegt der Grund für den Bedeutungsschwund des Mindeststreitwerts indes nicht in einer zu weiten Fassung des Einkommensbegriffs, sondern darin, dass der Mindestwert von 2.000,00 EUR inzwischen weit hinter dem zurückbleibt, was zwei Personen für drei Monate als Einkommensminimum benötigen; die Umwandlung des durch Kostenänderungsgesetz vom 21.8.1975 (BGBl I S. 2189) eingeführten Mindestwerts von 4.000,00 DM in 2.000,00 EUR hat durch die geänderten Verhältnisse, nicht durch die hier vorgenommene Auslegung ihre Sachgerechtigkeit und Bedeutung verloren.

c)  Aus dem unter b) Ausgeführten folgt, dass auch das von der Antragsgegnerin bei Einleitung des Scheidungsverfahrens (vgl. § 40 GKG) bezogene Elterngeld den Streitwert erhöht.

d)  Freiwillig eingegangene Verbindlichkeiten ...

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