Eine schöne und m.E. für Verteidiger wichtige Entscheidung. Beide "Streitpunkte" hat das LG zutreffend zugunsten des Angeklagten und seines Verteidigers entschieden.

1. Hinsichtlich des Gegenstandswertes gilt der allgemeine Satz: Wer die Musik bestellt, muss sie bezahlen, bzw.: Es kommt für den Gegenstandswert, der der Berechnung der Nr. 4142 VV zugrunde zu legen ist, nicht darauf an, welchen Antrag die Staatsanwaltschaft letztlich gestellt hat oder welcher Betrag vom Gericht ggf. eingezogen worden ist. Entscheidend ist vielmehr die Höhe des Einziehungsanspruches, dessen sich die Staatsanwaltschaft zugunsten der Staatskasse berühmt hat. Ist der zu hoch bzw. lässt sich der nicht nachweisen, geht das (finanzielle) Risiko zu Lasten der Staatskasse mit der Folge, dass von dem Einziehungsbetrag auszugehen ist, den die Staatsanwaltschaft "ins Spiel gebracht hat, auch wenn sich der nachträglich als zu hoch erwiesen hat". Das ist auch nur angemessen, denn der Angeklagte musste sich gegen diesen (zu) hohen Betrag verteidigen und muss insoweit seinen Verteidiger über die Nr. 4142 VV entlohnen (so auch Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021 Nr. 4142 VV Rn 29 ff., 32 m.w.N. aus der Rspr.).

2. Zutreffend sind auch die Überlegungen, die das LG hinsichtlich einer (teilweisen) Kostenübernahme durch die Staatskasse betreffend die Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV anstellt. Hinsichtlich der Einziehung hat der Angeklagte zu 9/10 obsiegt, wenn man dem LG auch wegen Wertbemessung der weiteren Gegenstände, die eingezogen worden sind, folgt, was nicht unbedingt zwingend ist. Hat der Angeklagte aber in diesem Umfang obsiegt, dann ist in der Tat nicht einzusehen, warum er dann nicht auch seine insoweit entstandenen Kosten gegenüber der Staatkasse geltend machen können soll. Und da ist der Rechtsgedanke des § 465 Abs. 2 StPO der richtige Ansatzpunkt. Den insoweit überzeugenden Ausführungen des LG ist im Hinblick auf den angeführten BGH, Beschl. v. 6.10.2021 nichts hinzuzufügen. Es gibt keinen Grund die vom BGH für das Revisionsverfahren entwickelten Grundsätze nicht auch auf das erstinstanzliche Verfahren anzuwenden (vgl. noch BGH, Beschl. v. 25.2.2021 – 1 StR 423/20, NJW 2021, 1829 = AGS 2021, 287 und auch BayObLG, Beschl. v. 27.10.2023 – 204 StRR 394/23, AGS 2024, 38).

3. Verteidiger müssen in Verfahren, in denen Einziehungsfragen eine Rolle spielen und letztlich geringere Summen eingezogen werden als ggf. zunächst von der Staatsanwaltschaft beantragt/geltend gemacht, die Rspr. des BGH, des BayObLG und auch des LG Braunschweig im Blick haben und die ergehenden Kostenentscheidungen sorgfältig darauf prüfen, ob sie einen Erfolg bei der Einziehung angemessen berücksichtigen und der Staatskasse einen Teil der insoweit entstandenen Kosten auferlegen. Das ist insofern von Bedeutung, weil der Angeklagte und sein Verteidiger, wenn sie hinsichtlich der Einziehung Kostenerstattungsansprüche geltend machen, ggf. nicht an die sich bei der Wertgebühr der Nr. 4142 VV für einen Pflichtverteidiger aus § 49 RVG ergebenden Begrenzung gebunden sind. Vielmehr gilt dann die Tabelle zu § 13 RVG (Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 4142 Rn 40).

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 2/2024, S. 87 - 89

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