Die Entscheidung des BGH reiht sich in eine Reihe wenig verwalterfreundlichen Entscheidungen ein. Die Entscheidung beinhaltet gleich mehrere bedeutende Aspekte, die offensichtlich werden lassen, dass der BGH seiner stringenten Linie bei der Verwaltervergütung "treu" bleibt und offensichtlich versucht, dem Zuschlagschaos Herr zu werden. Vergütungen in Insolvenzverfahren stehen immer wieder im Fokus öffentlicher Diskussionen und Vergütungen in einzelnen Großverfahren werden verallgemeinert bzw. als typisch und als Indiz dafür angesehen, dass das Vergütungssystem angesichts der Miniquoten für Gläubiger äußerst großzügig im Interesse der Insolvenzverwalter erscheint – was aber strukturell mitnichten so ist. Vielmehr erscheint aufgrund gesetzgeberischer Mängel und fehlender Bestimmtheit eher die Umsetzung in der Praxis das generelle Problem zu sein sowie ein Wildwuchs an vermeintlichen Zuschlägen, die das in sich geschlossene System der insolvenzrechtlichen Pauschalvergütung faktisch ad absurdum geführt haben.

1. Großverfahren spricht für geringere Zuschlagstoleranz

Das Vergütungsrecht des Insolvenzverwalters basiert als Tätigkeitsvergütung im Wesentlichen auf dem Konzept einer betragsorientierten gerichtlichen Festsetzung, die sich an verschiedenen, in der InsVV geregelten (pauschalen) und meist am Umfang der Insolvenzmasse ausgerichteten, degressiv gestalteten Regelsätzen orientiert. Dabei liegt dem System der InsVV schon aus Gründen der vereinfachten Handhabbarkeit und leichteren Festsetzungsfähigkeit (so ausdrücklich auch BGHZ 157, 282, 287 f. = NZI 2004, 196 = ZInsO 2004, 257) der zentrale Gedanke einer pauschalen Abgeltung einer Vielzahl von nicht vorhersehbaren und vorbestimmbaren Einzeltätigkeiten zugrunde, die durch eine betragsbezogene und gerichtlich festgesetzte Pauschalierung nach §§ 1, 2 InsVV erfolgt und die in Ausnahmefällen durch ebenfalls pauschalierte Zuschläge nach § 3 InsVV ergänzt werden kann. § 2 InsVV regelt daher eine "Angemessenheitsvermutung", die im Einzelfall nach § 3 InsVV widerlegt werden muss. Grds. hat die Regelvergütung, errechnet aus der Berechnungsgrundlage, damit Vorrang. In einem ersten Schritt ist diese zunächst zu berechnen und dann durch den Insolvenzrechtspfleger zu würdigen. Danach ist zu prüfen, ob mit dieser Regelvergütung die Leistung des Verwalters ausreichend honoriert wird oder ob im Einzelfall eine nicht angemessene Vergütung vorliegt. Maßgebend ist, ob die Bearbeitung den Insolvenzverwalter stärker oder schwächer als in entsprechenden Insolvenzverfahren allgemein üblich in Anspruch genommen hat, also der real gestiegene oder gefallene Arbeitsaufwand (BGH ZInsO 2012, 753). Vermutet man nun in einem "Großverfahren" ein Indiz für eine sich zeigende Häufung an Zuschlagsfaktoren und Mehrtätigkeiten, widerlegt der BGH diese Vermutung nun zum wiederholten Male. Bereits in seiner Entscheidung vom 29.4.2021 (BGH, Beschl. v. 29.4.2021 – IX ZB 58/19 = AGS 2021, 381) sah der BGH hier eher Gegenteiliges. Stattdessen sollen sich die Regelaufgaben des Insolvenzverwalters aus dem jeweiligen Verfahrenszuschnitt ergeben, unter Zugrundelegung der Überlegung, dass bei einem größeren Verfahren die Regelvergütung höher ist und dadurch die dort typischerweise anfallenden Tätigkeiten bereits damit abgegolten wären. Bereits nach Ansicht des BGH in seiner Entscheidung vom 29.4.2021 sei unausgesprochenes Korrektiv bei der Frage der Zuschläge, wie sich die Berechnungsgrundlage darstelle. Bei der Prüfung einer im Einzelfall gebotenen Erhöhung der Regelvergütung sei auch die Höhe der Berechnungsgrundlage in die Gesamtwürdigung einzubeziehen. Je größer die Insolvenzmasse sei, umso höher falle schon die Regelvergütung aus, sodass ein Mehraufwand von der Staffelvergütung bereits umfasst sein könne. Der BGH bleibt nun mit seiner aktuellen Entscheidung vom 27.10.2022 seiner Auffassung treu, dass in einem größeren Insolvenzverfahren der regelmäßig anfallende Mehraufwand des Insolvenzverwalters im Grundsatz bereits dadurch abgegolten ist, dass die größere Vermögensmasse zu einer höheren Vergütung führt. Zuschläge für einen quantitativ höheren Aufwand setzen daher die Darlegung voraus, dass der tatsächlich erforderliche Aufwand erheblich über dem bei vergleichbaren Massen Üblichen liegt (BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – IX ZB 28/14, ZIP 2017, 2063 Rn 24 zum vorläufigen Insolvenzverwalter). Die Entscheidung des BGH wird in der gerichtlichen Praxis weiter für Aufsehen sorgen und gerade in großen Insolvenzverfahren für eine Änderung, zumindest für eine stringentere Prüfung von Zuschlägen sorgen.

2. Freifahrschein für Insolvenzgerichte

In der gerichtlichen Vergütungspraxis hat es sich eingebürgert, dass die Darlegung des Mehraufwandes nach § 3 InsVV durch den Insolvenzverwalter meist mittels "Vergleichsentscheidungen" geführt werden. In sog. Faustregeltabellen werden Erfahrungswerte anderer Verfahren herangezogen, um damit im konkreten Fall die eigene Vergütungsabrechnung zu untermauern. Dass solche Faustregeltab...

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