1. Leider kann man, da die Entscheidung nun überhaupt keine konkreten Umstände aus dem Verfahren mitteilt, nicht abschließend beurteilen, ob die Entscheidung zutreffend ist oder nicht. Es spricht allerdings einiges dafür, dass hier in der Tat die Zuziehung eines auswärtigen Verteidigers nicht erforderlich gewesen sein dürfte. Das LG spricht von einem "einfachen und überschaubaren" Sachverhalt, der offenbar eine persönliche Beratung und Besprechung nicht erfordert hat. Wenn aber, was offenbar der Fall war, die telefonische Beratung ausgereicht hat, dann dürfte auch die Zuziehung eines Verteidigers, der vor Ort war, ausgereicht haben. Denn es spricht nach den mitgeteilten Umständen auch nichts dafür, dass es sich bei dem auswärtigen Verteidiger nun um den "Anwalt des Vertrauens" gehandelt. Auf den hat der Betroffene zwar grds. auch im Bußgeldverfahren Anspruch, aber eben nicht in allen Fällen (zu allem eingehend auch Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Teil A Rn 1366 ff. m.w.N. aus der Rspr.; aus neuerer Zeit OLG Karlsruhe JurBüro 2021, 140; LG Oldenburg, Beschl. v. 13.7.2022 – 5 Qs 217/22, AGS 2022, 420). Fazit: Für Betroffene ist bei der Wahl des Verteidigers Vorsicht angesagt.

2. Aber: Das ist nur der erste Schritt. Denn: Liegen die Voraussetzungen für die Erstattung der Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts nicht vor, wovon das LG ausgeht, führt das lediglich dazu, dass nur die Mehrkosten, die gegenüber der Beauftragung eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts angefallen sind, nicht erstattungsfähig sind. Der Angeklagte bzw. auch der Betroffene ist in jedem Fall berechtigt, einen im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwalt zu beauftragen, mit der Folge, dass dessen Reisekosten ohne eine Notwendigkeitsprüfung zu erstatten sind. Nur die Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass die Reise über den Gerichtsbezirk hinaus führt, sind nicht erstattungsfähig. Tatsächlich angefallene Reisekosten des auswärtigen Rechtsanwalts sind deshalb insoweit erstattungsfähig, als sie auch dann entstanden wären, wenn der Angeklagte einen Rechtsanwalt mit Niederlassung am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätte (für Strafsachen OLG Schleswig NJW 2015, 3311 = AGS 2015, 487 = RVGreport 2015, 385; LG Düsseldorf NJW 2015, 498 = AGS 2015, 7 = JurBüro 2015, 255). Es sind also nicht nur die fiktiven Reisekosten eines Rechtsanwalts vom tatsächlichen Wohnort des Angeklagten innerhalb des Gerichtsbezirks zum Prozessgericht erstattungsfähig (LG Heilbronn AGS 2017, 102 = RVGreport 2017, 174; AG Aschaffenburg AGS 2017, 493; weitere Nachw. zu allem bei Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Teil A Rn 1392). Die Kosten hätten also – entgegen der Ansicht des LG – festgesetzt werden müssen.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 1/2023, S. 31 - 32

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