Die Entscheidung des LAG Köln beruht auf einer Verkennung der Gebührensystematik und ist folgerichtig falsch. Das LAG Köln war sich seiner Sache so sicher, dass es für seine Auffassung noch nicht einmal Rspr.- oder Lit.-Nachweise bemüht hat. Solche zu finden, wäre sicherlich auch schwergefallen.

1. Anfall der Verfahrensgebühr

Nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV entsteht dem Rechtsanwalt, dem ein unbedingter Auftrag als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigter erteilt worden ist, die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Somit sind die Ausführungen des LAG Köln, die Verfahrensgebühr entstehe mit dem Auftrag des Mandanten, so nicht ganz richtig, da neben der passiven Entgegennahme des entsprechenden Auftrags auch noch eine Anwaltstätigkeit erforderlich ist, mag sie auch noch so geringfügig sein. Richtig sind wieder die Ausführungen des LAG, dass die Verfahrensgebühr dann entsteht, wenn der Rechtsanwalt in Erfüllung seines Auftrags in irgendeiner Weise tätig geworden ist. Dabei muss der Rechtsanwalt seine Tätigkeit nicht – wie es beim LAG anklingt – in dem betreffenden gerichtlichen Verfahren entfalten. Auch außergerichtliche Tätigkeiten im Rahmen des Prozessauftrags lösen die Verfahrensgebühr aus. Folglich kann dem Rechtsanwalt die Verfahrensgebühr auch dann anfallen, wenn er gegenüber dem Gericht in keiner Weise tätig geworden ist.

Vorliegend waren die Prozessbevollmächtigten der Beklagten sogar gegenüber dem Gericht insoweit tätig geworden, als sie den Bestellungsschriftsatz vom 23.10.2019 beim BAG eingereicht hatten.

2. Höhe der Verfahrensgebühr

Vorbem. 3 Abs. 2 VV regelt allgemein, durch welche Tätigkeiten dem Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten die Verfahrensgebühr anfällt. In welcher Höhe und unter welchen weiteren Voraussetzungen diese Gebühr entsteht, bestimmt sich nach den Gebührentatbeständen im VV. Vorliegend kam es hier auf die Regelung in Nr. 3506 VV an, wonach die Verfahrensgebühr für das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision mit einem Gebührensatz von 1,6 anfällt. Diese Gebührenvorschrift muss jedoch im Zusammenhang mit Nr. 3507 VV gesehen werden, wonach die Verfahrensgebühr 3506 VV bei einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags nur mit einem Gebührensatz von 1,1 entsteht. Nach der Anm. in Nr. 3507 VV ist die Anm. zu Nr. 3201 VV entsprechend anzuwenden. Diese Vorschrift regelt die Ermäßigung der in Nr. 3200 VV geregelten Verfahrensgebühr, für die ebenfalls ein Gebührensatz von 1,6 bestimmt ist.

Das LAG Köln hat die Regelung in Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3201 VV falsch angewandt. Diese Vorschrift bestimmt, dass eine vorzeitige Beendigung mit dem Eintritt der Gebührenermäßigung dann vorliegt, wenn der Auftrag des Rechtsanwalts endet, bevor der Rechtsanwalt das Rechtsmittel eingelegt oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvorträge usw. enthält, eingereicht hat. Bei der Anwendung dieser Vorschrift liegt das LAG Köln nur insoweit richtig, als die Rechtsanwälte des Beklagten in der Tat nicht die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt haben. Unzutreffend ist jedoch die Annahme des LAG Köln, ein Fall der vorzeitigen Beendigung auf Beschwerdegegnerseite könne nur dann vorliegen, wenn das Beschwerdeverfahren ende, bevor ein Schriftsatz mit Sachanträgen oder Sachvorträgen des Beschwerdeführers eingereicht worden ist. Vielmehr beschränkt Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3201 VV diejenigen Tätigkeiten des Rechtsanwalts, der die volle Verfahrensgebühr geltend macht. Die Beklagtenvertreter hätten somit eine der in dieser Vorschrift genannten Tätigkeiten vornehmen müssen, bevor ihr Auftrag durch Beschluss des BAG vom 11.2.2020 geendigt hatte. Das war hier nicht geschehen. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben beim BAG lediglich ihren Schriftsatz vom 23.10.2019 eingereicht, in dem sie sich zu Prozessbevollmächtigten der Beklagten und nunmehrigen Beschwerdegegnerin bestellt hatten. Die Anwaltsbestellung betrifft jedoch lediglich das Verfahren und stellt keinen die volle Verfahrensgebühr auslösenden Sachantrag dar (KG JurBüro 1987, 709; OLG Köln JurBüro 1986, 1041; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 25. Aufl., 2021, Nr. 3201 VV Rn 16; Nr. 3101 VV Rn 36; AnwKomm-RVG/Reckin, 9. Aufl., 2021, Nr. 3201 VV Rn 21 und Nr. 3101 VV Rn 39). Somit war die Rechtsauffassung der Beklagten gebührenrechtlich völlig zutreffend.

3. Verfahrensrechtliches

Bei richtiger Auslegung des Begehrens der Beklagten hätte der als "befristete Erinnerung" bezeichnete Rechtsbehelf nicht als sofortige Beschwerde ausgelegt werden dürfen. Der Beklagte hat jedenfalls im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens die Auffassung vertreten, es sei allenfalls gerechtfertigt, eine 1,1-Verfahrensgebühr festzusetzen. Die Differenz zwischen der vom Rechtspfleger des ArbG Bonn festgesetzten 1,6-Verfahrensgebühr und der vom Kläger für zutreffend angesehenen 1,1-Verfahrensgebühr übersteigt jedoch im vorliegenden Fall 200,00 EUR nicht. Der Rechtsbehelf war somit nicht als sofortige Beschwerde gem. § 11 Abs...

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