Klage und Widerklage kommen in Verkehrsunfallprozessen häufig vor. Dabei ergibt sich dann in der Regel die besondere Konstellation, dass auf der Aktivseite (Kläger) nur ein Auftraggeber vorhanden ist, auf der Passivseite (Beklagte) aber mehrere Auftraggeber. Gegen den Halter muss sich die Widerklage richten, da sie anderenfalls unzulässig wäre. Gleichzeitig wird die Widerklage dann als Drittwiderklage gegen den vom Halter verschiedenen Fahrer und den Haftpflichtversicherer gerichtet. Der Fahrer soll damit als Zeuge ausgeschlossen werden und der Versicherer soll später alles bezahlen.

Werte von Klage und Widerklage werden zusammengerechnet

Die Werte von Klage und Widerklage werden in diesem Fall nach § 45 Abs. 1 S. 1 GKG zusammengerechnet, da ihnen unterschiedliche Gegenstände zugrunde liegen.

Für den Anwalt stellt sich jetzt das Problem, wie er die teilweise Gebührenerhöhung berechnet. Während er hinsichtlich der Klage nur einen Auftraggeber (Kläger) hat, vertritt er hinsichtlich der Widerklage mehrere Auftraggeber (Beklagte) und die auch wegen desselben Gegenstands, sodass insoweit eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV greift.

Häufig wird "Erhöhungsgebühr" berechnet

Häufig wird in diesen Fällen aus dem Gesamtwert von Klage und Widerklage eine einfache Verfahrensgebühr berechnet und aus dem Wert der Widerklage eine "Erhöhungsgebühr" nach Nr. 1008 VV RVG.

 

Beispiel

Der Anwalt erhält in einer Verkehrsunfallsache von dem geschädigten Eigentümer den Auftrag, Schadensersatz in Höhe von 12.000,00 EUR geltend zu machen. Später erhebt der Unfallgegner Widerklage in Höhe von 7.000,00 EUR gegen den geschädigten Eigentümer als Halter sowie Drittwiderklage gegen den Fahrer und den Haftpflichtversicherer. Der Anwalt erhält auch das Mandat für den Fahrer und den Haftpflichtversicherer. Nach Verhandlung ergeht ein Urteil.

Ausgehend von einer Erhöhungsgebühr wird wie folgt gerechnet:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV    
  (Wert: 19.000,00 EUR)   787,80 EUR
2. 0,6-Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV    
  (Wert: 7.000,00 EUR)   225,00 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104    
  (Wert: 19.000,00 EUR)   727,20 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.760,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   334,40 EUR
Gesamt 2.094,40 EUR

Es gibt keine Erhöhungsgebühr

Bei dieser Berechnungsmethode wird übersehen, dass es keine Erhöhungsgebühr gibt. Nr. 1008 VV ist kein eigener Gebührentatbestand, sondern nur eine Hilfsvorschrift, die lediglich zur Erhöhung einer anderen Geschäfts- oder Verfahrensgebühr führt.

Zutreffend ist § 15 Abs. 3 RVG anzuwenden

Zutreffend ist es daher, aus dem Wert der einfachen Beteiligung (also dem Wert der Klage) eine einfache Verfahrensgebühr zu berechnen und aus dem Wert der gemeinschaftlichen Beteiligung (also dem Wert der Widerklage) eine nach Nr. 1008 VV erhöhte Verfahrensgebühr. Anschließend ist dann § 15 Abs. 3 RVG zu beachten: Der Betrag einer Gebühr nach dem höchsten Satz aus dem Gesamtwert darf nicht überschritten werden (OLG Hamburg MDR 1978, 767; LG Bonn Rpfleger 1995, 384 m. Anm. N. Schneider; AnwK-RVG/N. Schneider, 6. Aufl. 2006, § 15 Rn 224 ff.; Lappe, Rpfleger 1981, 94; N. Schneider, BRAGOreport 2000, 21; Onderka, Anwaltsgebühren in Verkehrssachen, Rn 219).

Zutreffend ist im Beispiel daher wie folgt zu rechnen:

 
Praxis-Beispiel
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV    
  (Wert: 12.000,00 EUR) 683,80 EUR  
2. 1,9-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV    
  (Wert: 7.000,00 EUR) 712,50 EUR  
  gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als    
  1,9 aus 19.000,00 EUR   1.151,40 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104    
  (Wert: 19.000,00 EUR)   727,20 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.898,60 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   360,73 EUR
Gesamt 2.259,33 EUR

Die zutreffende Berechnung führt hier also zu einem Mehraufkommen in Höhe von 164,93 EUR.

Neuere Rspr. folgt der Berechnung nach § 15 Abs. 3 RVG

Erstaunlicherweise wird diese zutreffende Berechnung in der Praxis kaum beachtet, obwohl die jüngere Rspr. dieser Berechnungsmethode folgt.

 
Hinweis

Erhöhung der Verfahrensgebühr bei unterschiedlicher Beteiligung mehrerer Auftraggeber, Klage und Widerklage

Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber, die nur teilweise am Verfahrensgegenstand gemeinschaftlich beteiligt sind, so entsteht keine "Erhöhungsgebühr". Vielmehr entsteht aus dem Wert der gemeinschaftlichen Beteiligung eine erhöhte Verfahrensgebühr und aus dem Wert der einfachen Beteiligung eine einfache Verfahrensgebühr, wobei nach § 15 Abs. 3 RVG der Betrag einer Gebühr nach dem höchsten Satz aus dem Gesamtwert nicht überschritten werden darf.

AG Augsburg, Beschl. v. 23.7.2008 – 25 C 6176/06 = AGS 2008, 434 = DAR 2008, 673 = NJW-Spezial 2008, 636 = VRR 2008, 479

 
Hinweis

Berechnung der Verfahrensgebühr bei unterschiedlicher Beteiligung mehrerer Auftraggeber (hier: Klage und Widerklage in Verkehrsunfallprozess)

1. Nr. 1008 VV stellt keine selbstständige Gebühr dar, sondern führt lediglich zur Erhöhung des Gebührensat...

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