Leitsatz

1. Nach § 11 Abs. 5 S. 1 RVG ist die Festsetzung abzulehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Macht der Antragsgegner geltend, die anwaltliche Beauftragung sei von der Beantragung von Prozesskostenhilfe abhängig gewesen, so handelt es sich um einen Einwand außerhalb des Gebührenrechts.

2. Trotz der geringen Substantiierungspflicht und der zu unterbleibenden Schlüssigkeitsprüfung im Rahmen des § 11 Abs. 5 S. 1 RVG sind Einwendungen nicht zu beachten, die schon bei oberflächlicher Betrachtung offensichtlich unbegründet, halt- oder substanzlos sind.

LAG Köln, Beschl. v. 19.9.2013 – 11 Ta 223/13

1 I. Der Fall

Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen gegen ihn gerichteten Kostenfestsetzungsbeschluss seines früheren Prozessbevollmächtigten, aufgrund dessen Antrag gegen ihn die für die anwaltliche Vertretung zu zahlende Vergütung durch Vergütungsfestsetzungsbeschluss des ArbG festgesetzt worden war. Er macht geltend, er habe seinen damaligen Prozessbevollmächtigten informiert, dass er nicht in der Lage sei, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Er sei mit ihm übereingekommen, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Er gehe davon aus, dass er dies versäumt habe. Der Antragsteller hat darauf erwidert, dass er auftragsgemäß einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt habe; allerdings sei Prozesskostenhilfe nicht bewilligt worden.

Das ArbG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem LAG zur Entscheidung vorgelegt. Das LAG hat die Beschwerde zurückgewiesen.

2 II. Die Entscheidung

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Festsetzung ist abzulehnen, wenn Einwände außerhalb des Gebührenrechts erhoben werden

Nach § 11 Abs. 5 S. 1 RVG ist die Festsetzung abzulehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Macht der Antragsgegner geltend, die anwaltliche Beauftragung sei von der Beantragung von Prozesskostenhilfe abhängig gewesen, so handelt es sich grundsätzlich um einen Einwand außerhalb des Gebührenrechts. Der Antragsgegner wendet gegen den Gebührenanspruch des Antragstellers die Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages ein.

Eine Substantiierung ist nicht erforderlich

Eine nähere Substantiierung der Einwände oder sogar deren Schlüssigkeit kann im Allgemeinen nicht verlangt werden, da über die Begründetheit einer solchen Einwendung nicht im vereinfachten Vergütungsfestsetzungsverfahren des § 11 RVG entschieden werden kann.

Offensichtlich unbegründete oder haltlose Einwendungen sind unbeachtlich

Jedoch sind trotz der geringen Substantiierungspflicht und der zu unterbleibenden Schlüssigkeitsprüfung Einwendungen nicht zu beachten, die schon bei oberflächlicher Betrachtung offensichtlich unbegründet, halt- oder substanzlos sind. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Einwand ist auch dann unbeachtlich, wenn er anhand der Akte widerlegt werden kann

Der Einwand des Antragsgegners, der Antragsteller habe abredewidrig keinen Prozesskostenhilfeantrag bei Gericht gestellt, ist anhand der Akte unzweifelhaft zu widerlegen. Die Antragstellung auf Prozesskostenhilfe erfolgte mit Schriftsatz vom 15.5.2012, die vom Kläger selbst unterzeichnete Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen war beigefügt. Eine Entscheidung über den absprachegemäß gestellten Prozesskostenhilfeantrag ist nicht aufgrund eines Verhaltens des Antragstellers unterblieben, sondern aufgrund der Rücknahme des Antrags durch den späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers nach Anwaltswechsel. Das aber kann dem ersten Anwalt nicht angelastet werden.

3 III. Der Praxistipp

Die Entscheidung ist zutreffend. Der Antragsgegner hat hier einen offensichtlich unbegründeten Einwand erhoben.

Im Zusammenhang mit der Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe können dagegen durchaus erhebliche Einwände außerhalb des Gebührenrechts erhoben werden, die eine Festsetzung hindern:

Einwand fehlender Belehrung hindert Festsetzung

Wird dem Anwalt vorgeworfen, er habe den Auftraggeber nicht darüber belehrt, dass dieser um Prozesskostenhilfe hätte nachsuchen können, ist dies ein nichtgebührenrechtlicher Einwand, der zur Ablehnung der Festsetzung führt (OLG Bamberg JurBüro 1987, 386; OLG Brandenburg OLG-NL 1995, 187 = OLGR 1995, 152 = Rpfleger 1996, 41; OLG Koblenz MDR 1986, 1038 = JurBüro 1986, 1668 = KostRsp. BRAGO § 19 Nr. 95 m. Anm. Lappe; OLG Schleswig OLGR 2008, 802 = AGS 2008, 603). Sofern der Vorwurf zutrifft, würde sich ein Schadensersatzanspruch des Mandanten ergeben, der den Anwalt daran hindern würde, seine Vergütung geltend zu machen.

Kenntnis der Bedürftigkeit kann ausreichen

Wendet die Partei ein, der Anwalt habe gewusst, dass sie bedürftig sei und das Verfahren nur dann betreiben könne und werde, wenn sie Prozesskostenhilfe bewilligt erhalte, so ist dieser Einwand ebenfalls nichtgebührenrechtlicher Art und führt zur Ablehnung der Festsetzung nach § 11 Abs. 5 S. 1 RVG (OLG Koblenz AGS 1998, 75 = AnwBl 1998, 543 = JurBüro 1998, 308 = NJW-RR 1998...

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