a) Überblick

Des Weiteren entsteht die Zusätzliche Gebühr, wenn der Anwalt daran mitwirkt, dass die Berufung oder Revision zurückgenommen wird (Anm. Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 4141 VV). Bei dem zurückgenommenen Rechtsmittel muss es sich dabei nicht um das eigene Rechtsmittel handeln. Der Anwalt kann daher auch dann die Zusätzliche Gebühr verdienen, wenn er daran mitwirkt, dass ein anderer Verfahrensbeteiligter sein Rechtsmittel zurücknimmt, also wenn das Rechtsmittel etwa von der Staatsanwaltschaft oder einem Nebenkläger eingelegt worden ist und später zurückgenommen wird (AnwK-RVG/N. Schneider, Nr. 4141 VV Rn 130; LG Stralsund AGS 2005, 442 = RVGreport 2005, 272 – zum vergleichbaren Fall in einer Bußgeldsache). Hier werden an die Mitwirkung des Anwalts allerdings höhere Anforderungen zu stellen sein als bei der Rücknahme des eigenen Rechtsmittels.

b) Rücknahme der Berufung

Der Anfall der Zusätzlichen Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 4141 VV bereitet im Berufungsverfahren keine Probleme, da dort eine Hauptverhandlung vorgeschrieben ist. Hier ist nur die Mitwirkung zu prüfen, an die keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind. Ein Verteidiger hat die Zusätzliche Gebühr daher auch dann verdient, wenn es zur Rücknahme als Ergebnis eines Mandantengesprächs gekommen ist (LG Duisburg AGS 2006, 234 = RVGreport 2006, 230). Der Streit, ob bereits ein Termin anberaumt worden sein muss – so zum Revisionsverfahren (s.u. c) –, stellt sich hier nicht (OLG Celle AGS 2014, 125 = NStZ-RR 2014, 128 = RVGreport 2014, 155).

 

Beispiel 8

Die Berufung wird mehr als zwei Wochen vor der Hauptverhandlung zurückgenommen.

Ausgehend von der Mittelgebühr ist im Berufungsverfahren wie folgt abzurechnen:

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4124 VV   320,00 EUR
2. Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4124 VV   320,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 660,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   125,40 EUR
Gesamt 785,40 EUR

c) Rücknahme der Revision

Kontrovers diskutiert wird die Frage, ob im Revisionsverfahren die Rücknahme stets ausreichend ist. Obwohl der Gesetzeswortlaut eindeutig ist und keine weiteren Voraussetzungen aufstellt, interpretiert die Rspr. ein weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal hinein, nämlich dass eine Hauptverhandlung bereits anberaumt sein müsse oder zumindest eine solche zu erwarten gewesen sei. Dazu müsse die Revision zuvor bereits begründet worden sein (so z.B. KG AGS 2005, 434 = RVGreport 2005, 352; OLG Braunschweig AGS 2006, 232 = RVGreport 2006, 228; OLG Hamm AGS 2006, 548; AGS 2006, 600). Nach a.A. müssen zumindest konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sein, dass eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre, was i.d.R. wiederum eine vorherige Begründung der Revision voraussetzt (OLG Zweibrücken AGS 2006, 74; OLG Stuttgart AGS 2007, 402 = RVGreport 2007, 190; OLG Brandenburg AGS 2007, 403). Begründet werden diese Ansichten damit, dass im Revisionsverfahren die Hauptverhandlung den Ausnahmefall darstelle und daher bei Rücknahme einer Revision i.d.R. gar keine Hauptverhandlung vermieden werde. Das ist jedoch unzutreffend. Wenn der Gesetzgeber hier eine weitere Einschränkung gewollt hätte, dann hätte er dies erklärt (So auch Burhoff, Nr. 4114 VV Rn 44 a.E.; AnwK-RVG/N. Schneider, Nr. 4141 VV Rn 131 ff.). So reicht es nach Auffassung einiger Gerichte auch zur Entstehung der Zusätzlichen Gebühr aus, wenn der Rechtsanwalt dem Mandanten nach Einlegung der Revision rät, diese wieder zurückzunehmen; auf eine vorherige Begründung der Revision komme es nicht an (LG Hagen AGS 2006, 223 = RVGreport 2006, 229; LG Verden AGS 2005, 551). Die Mitwirkung des Rechtsanwalts muss sich auch nicht aus der Gerichtsakte ergeben (OLG Düsseldorf AGS 2006, 124 m. Anm. N. Schneider = RVGreport 2006, 67). Ebenso das LG Göttingen (AGS 2006, 180), wonach die Gebühr der Anm. Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 4141 VV im Fall der Rücknahme der Revision entsteht, wenn der Verteidiger sich inhaltlich mit dem Verfahren beschäftigt und zumindest Anstrengungen unternommen hat, es in sachlicher Hinsicht zu fördern. Dazu sei ausreichend, dass sich der Verteidiger mit seinem Mandanten über die Erfolgsaussichten der Revision ernsthaft beraten habe.

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