Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsvergütung: Befriedungsgebühr durch Revisionsrücknahme

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Revisionsverfahren findet eine Hauptverhandlung nicht statt, wenn die Revision nicht gemäß § 344 Abs. 1 StPO begründet wurde. In diesem Fall unterliegt das Rechtsmittel der Verwerfung durch das Tatgericht im Beschlusswege (§ 346 Abs. 1 StPO); das Revisionsgericht wird mit ihm nicht befasst.

2. Die Zusatzgebühr für die Vermeidung einer Hauptverhandlung ("Befriedungsgebühr") kann im Revisionsverfahren nur entstehen, wenn das Rechtsmittel vor seiner Rücknahme ordnungsgemäß begründet worden war.

 

Verfahrensgang

LG Göttingen (Beschluss vom 20.12.2005)

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer war vor dem Landgericht Göttingen als Pflichtverteidiger des damaligen Angeklagten tätig. Gegen das Urteil der großen Strafkammer, die diesen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt hatte, legten sowohl der Verteidiger als auch die Staatsanwaltschaft Revision ein. Noch bevor das schriftliche Urteil der Kammer zu den Akten gelangt war, war, nahm der Verteidiger das Rechtsmittel des damaligen Angeklagten zurück. Dem waren Gespräche mit dem Mandanten über die Aussichten des Rechtsmittels und Kontakte zur Staatsanwaltschaft über die Voraussetzungen einer etwaigen Rücknahme von deren Revision vorausgegangen.

In einem nachfolgenden Kostenfestsetzungsantrag machte der Verteidiger und Beschwerdeführer für das Revisionsverfahren unter anderem die zusätzliche Gebühr nach Nr.4141 des VV zum RVG in Höhe von 412,- EUR netto geltend. Insoweit lehnte der Rechtspfleger jedoch die Gebührenfestsetzung ab. Die gegen die Ablehnung gerichtete Erinnerung des Verteidigers verwarf die zuständige Strafkammer des Landgerichts Göttingen durch Beschluss vom 20.12.2005 in der Besetzung mit drei Berufsrichtern, nachdem die Einzelrichterin die Sache wegen deren grundsätzlicher Bedeutung nach den §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S.2 RVG auf die Kammer übertragen hatte.

II.

Die Beschwerde ist nach den §§ 56, 33 Abs. 3 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1. Die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV ist hier nicht entstanden, weil es an der gesetzlich vorausgesetzten Kausalität einer Tätigkeit des Verteidigers für die Ersparung einer Hauptverhandlung fehlt.

a) Die schlichte Rücknahme der Revision genügt zwar nach dem Wortlaut des Abs. 1 Nr. 3 der Anmerkung zu Nr. 4141 VV, deren erster Halbsatz für sich genommen keine zusätzlichen Bedingunzen für die Entstehung der Gebühr aufstellt. Die Anmerkung ist aber im Zusammenhang mit dem Haupttext der Nr. 4141 VV zu lesen, nach welchem durch die anwaltliche Mitwirkung "die Hauptverhandlung entbehrlich" geworden sein muss. Wann diese Folge als durch die Rücknahme einer Revision eingetreten gelten soll ist deshalb nicht leicht zu bestimmen, weil diese Rücknahme im Rahmen einer Regelung erwähnt wird, die die Besonderheiten des Revisionsrechts nicht gezielt im Auge hat; dies zeigt sich schon daran, dass der zweite Halbsatz der Nr. 3 a.a.O. die Möglichkeit des Bestehens eines Termin zur Hauptverhandlung im Einspruchs-, Berufungs- und Revisionsverfahren als gleichberechtigt nebeneinander stellt, was nicht der Realität entspricht.

Während das Amts- oder Landgericht nach der Einlegung des Einspruchs gegen einen Strafbefehl oder nach Einlegung der Berufung im Regelfall nur nach Durchführung einer Hauptverhandlung entscheiden kann, die Rücknahme des Rechtsbehelfs dann also notwendig zur Ersparung der Verhandlung führt, ist die Durchführung einer Hauptverhandlung nach Einlegung der Revision faktisch die Ausnahme und die Beschlussentscheidung nach § 349 Abs. 2, 4 StPO die Regel. Damit die Wirkung der Rücknahme einer Revision auch nur annäherungsweise mit der Einsparwirkung in den beiden anderen Konstellationen verglichen werden kann, ist für die Erfüllung des Tatbestandes der Nr. 4141 VV als Mindestvoraussetzung zu verlangen, dass wenigsten schon die theoretische Möglichkeit der Anberaumung eines Verhandlungstermins nach § 350 StPO besteht. Das ist aber erst der Fall, wenn die Revision fristgerecht begründet worden ist. Andernfalls gelangen die Akten (normalerweise) gar nicht an das Revisionsgericht, sondern wird das Rechtsmittel bereits durch die Vorinstanz gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen. Eine Entlastung der Revisionsgerichte, die laut Bundestagsdrucksache 15/1971 (dort S.227 f) mit der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Nr. 4141 VV im Vergleich zur Regelung der alten §§ 84 Abs. 2, 85 Abs. 4 BRAGO erreicht werden soll, kann mithin durch eine Rechtsmittelrücknahme vor Eingang einer zulässigen Revisionsbegründung von vornherein nicht eintreten (ebenso KG Berlin JurBüro 2005, 533).

Außer Betracht bleiben muss hier das Argument des Verteidigers, die Rücknahme der Revision in einem ganz frühen Stadium des Verfahrens führe im Hinblick auf § 267 Abs. 4 StPO wenigstens zu einer Arbeitsersparnis beim Tatrichter, denn gemäß der Begründung des Ges...

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