Entscheidungsstichwort (Thema)

Totschlag. Beschwerde des Bezirksrevisors im Verfahren über die Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren

 

Verfahrensgang

LG Hagen (Beschluss vom 23.02.2006; Aktenzeichen 51 KLs 21/05)

 

Tenor

Unter Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts Hagen vom 23. Februar 2006 werden die Rechtsanwalt … aus … aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 621,37 EUR (in Worten: sechshunderteinundzwanzig EUR und siebenunddreißig Cent) festgesetzt.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde verworfen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei Kosten werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

I.

Der inhaftierte Angeklagte, dem Rechtsanwalt … als Pflichtverteidiger beigeordnet war, ist durch Urteil des Schwurgerichts vom 15. Juli 2005 wegen Totschlags und anderen Delikten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden. Mit Schreiben vom 18. Juli 2005 hat die Nebenklägerin vertreten durch ihren Beistand Revision eingelegt. Auch der Angeklagte hat – vertreten durch seinen Pflichtverteidiger – mit Fax vom 22. Juli 2005 „fristwahrend” Revision eingelegt, diese aber nach einem am 25. Juli 2005 geführten Gespräch mit dem Pflichtverteidiger in der Justizvollzugsanstalt Hagen mit Fax vom 26. Juli 2005 zurückgenommen. Auch die Revision der Nebenklägerin ist inzwischen, ohne dass sie begründet worden ist, zurückgenommen worden.

Unter dem 19. Oktober 2005 hat Rechtsanwalt … unter anderem die Festsetzung einer Zusatzgebühr gem. der Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG in Höhe von 505,00 EUR zuzüglich anteiliger Umsatzsteuer beantragt. Zu diesem Antrag hat die Bezirksrevisorin beim Landgericht Hagen dahingehend Stellung genommen, dass diese Gebühr nicht anfalle, wenn das Rechtsmittel – wie im vorliegenden Fall – nicht begründet worden sei. Mit Beschluss vom 18. Oktober 2005 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle sodann die vorgenannte Gebühr sowie teilweise Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder abgesetzt und auch der hiergegen gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 21. Dezember 2005 nicht abgeholfen. Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss (RVGreport 2006, 229 = AGS 2006, 233) dem Pflichtverteidiger die Gebühr Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG gewährt.

Hiergegen richtet sich nunmehr noch das weitere Rechtsmittel der Staatskasse, das vom Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts dahingehend erweitert worden ist, dass dem Pflichtverteidiger auch die Verfahrensgebühr Nr. 4130, 4131 VV RVG nicht zustehe. Er habe sein Rechtsmittel nicht begründet. Die Gebühr sei auch nicht durch die Rücknahme entstanden, da eine vorhergehende Prüfungstätigkeit des Rechtsanwalts nur sinnvoll sei, wenn ein schriftlich begründetes Urteil vorliege. Das sei aber nicht der Fall. Hinsichtlich der Gebühr der Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG sei eine ausreichende Mitwirkung des Pflichtverteidigers im Hinblick auf eine sachliche Förderung der Erledigung des Verfahrens nicht festzustellen. Zudem erfordere das Entstehen der Gebühr, dass konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre. Der Pflichtverteidiger ist dem entgegengetreten. Er ist der Auffassung, dass für eine Prüfung der Erfolgsaussichten der Revision nicht unbedingt das schriftlich begründete tatrichterliche Urteil vorliegen müsse. Die Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG setze im Übrigen nicht die Anberaumung eines Revisionshauptverhandlungstermins voraus.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 bis 8 RVG). Sie ist auch teilweise begründet. Dem Pflichtverteidiger steht für seine Tätigkeit im Revisionsverfahren nur eine Verfahrensgebühr Nr. 4130, 4141 VV RVG zu. Die Gebühr Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG ist vorliegend hingegen nicht entstanden.

1.

Die Gebühr Nr. 4130, 4131 VV RVG ist – entgegen der Ansicht des Vertreters der Staatskasse – entstanden.

Nach Nr. 4130 VV RVG in Verbindung mit der Vorbemerkung 4 Abs. 2 VV RVG erhält der Rechtsanwalt im Revisionsverfahren die Verfahrensgebühr für das „Betreiben des Geschäfts”. Darunter fallen nach allgemeiner Meinung alle nach Erteilung des Auftrags zur Verteidigung im Revisionsverfahren bis zum Abschluss der Revisionsinstanz vom Rechtsanwalt erbrachte Tätigkeiten (vgl. Burhoff in Burhoff (Hrsg.), RVG, Straf- und Bußgeldsachen, Nr. 4130 Rn. 10 und der Katalog der von der Nr. 4130 VV RVG erfassten Tätigkeiten in Rn. 11). Die Einlegung der Revision selbst gehört nach § 19 Nr. 10 RVG für den Verteidiger, der in dem vorhergehenden Rechtszug bereits tätig war, nicht zum Abgeltungsbereich der Nr. 4130 VV RVG, sondern noch zu dem der Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens des vorhergehenden Rechtszugs (Burhoff, a.a.O. Nr. 4130 Rn. 6, N. Schneider in Schneider/Wolf, RVG, 3 Aufl., Rn. 6). Die Rücknahme der Revision und die Prüfung der Erfolgsaussichten gehören hingegen zum Abgeltungsbereich der Nr. 4130 VV RVG.

Danach ist nach Auffassung des Senats vorliegend die Gebühr Nr. 4130, 4131 VV RVG entstan...

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