Leitsatz (amtlich)

In Verkehrsordnungswidrigkeitensachen ist bei der Bemessung der Gebühren nicht immer von einer unterhalb der Mittelgebühr liegenden Gebühr auszugehen. Abzustellen ist vielmehr u.a. auf die drohende Punkte im Verkehrszentralregister, eine etwaige Vorbelastung, ein drohendes Fahrverbot bzw. Fahrerlaubnisentzug und etwaige Schadensersatzansprüche sowie das Angewiesensein des Betroffenen auf die Fahrerlaubnis.

 

Tenor

  • I.

    Der Kostenfestsetzungsbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt wird aufgehoben, soweit die über 62,00 Euro hinausgehende Auslagenforderung des Betroffene als unbillig zurückgewiesen wurde.

  • II.

    Die dem Betroffenen zu erstattenden Auslagen werden auf 98,00 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen.

  • III.

    Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse zu 33% und der Betroffene zu 67% mit Ausnahme der Gerichtsgebühr, die d. Betroffenen trägt. Die Gerichtsgebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.

 

Gründe

I.

Der Betroffene erhielt von der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt (ZBS) den Bußgeldbescheid vom 28. 1. 2008, mit welchem gegen den Betroffenen wegen Nichteinhaltens der Schrittgeschwindigkeit in einem verkehrsberuhigtem Bereich eine Geldbuße in Höhe von 15,00 Euro festgesetzt worden ist.

Auf den Formulareinspruch des Verteidigers hat die Verwaltungsbehörde das Verfahren eingestellt.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß §§ 108 Abs. 1 Nr. 2, 62 OWiG zulässig. Insbesondere ist die zweiwöchige Frist des § 108 Abs. 1 Satz 2 OWiG eingehalten.

III.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zum Teil begründet.

Ausgangspunkt für die Festsetzung der Verteidigervergütung gemäß Nr. 5100 ff VV RVG ist die jeweilige Mittelgebühr (vgl. Baumgärtel/Föller/Hergenröder/Houben/Lompe, RVG, 7. Auflage 2005, Anm. Vorbemerkung 5 VV RVG; Hartmann, Kostengesetze, 35. Auflage, 2005, Rdnr. 5 zu Nr. 5100 VV RVG; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, 16. Aufl. 2004, Rdnr. 13 ff. zu Nr. 5100 ff. VV RVG). Die Ansicht, dass bei Verkehrsordnungswidrigkeiten immer von einer unterhalb der Mittelgebühr liegenden Gebühr auszugehen sei, ist seit der Einführung des RVG überholt. Mit dem RVG wurden für den Bereich der Ordnungswidrigkeiten eigene Gebührentatbestände eingeführt, die Rahmengebühren vorsehen, die mit Ausnahme der Grundgebühr nach Nr. 5100 VV RVG nach der Höhe der verhängten, bzw. im Gesetz vorgegebenen Geldbuße gestaffelt sind. Lediglich der jeweilige Gebührenrahmen knüpft an die Höhe der Geldbuße an.

In einem weiterem Schritt bestimmt der Rechtsanwalt seine Gebühren nach den in § 14 RVG vorgegebenen Kriterien unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen.

Die Bestimmung der Gebühren durch den Rechtsanwalt ist für Dritte, die die Gebühr zu ersetzen haben, nur dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 3 RVG).

Die Höhe der im Bußgeldbescheid verhängten Geldbuße sagt bei Verkehrsordnungswidrigkeiten in der Regel nicht viel über die Bedeutung der Angelegenheit aus, da die Geldbußen meistens im unteren Bereich angesiedelt sind. In erster Linie werden bei Verkehrsordnungswidrigkeiten Einsprüche gegen Bußgeldbescheide eingelegt wegen den mit der Geldbuße verbundenen Punkten im Verkehrszentralregister im Hinblick auf ein zukünftig drohendes Fahrverbot oder Fahrerlaubnisentzug durch die Verwaltungsbehörde, wegen eines verhängten Fahrverbots oder zur Abwehr oder Vorbereitung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche. Von Bedeutung ist insbesondere auch, ob der Betroffene beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist.

Diese Besonderheit der Verkehrsordnungswidrigkeiten rechtfertigt es nicht, grundsätzlich von einer geringen Bedeutung auszugehen. Hätte der Gesetzgeber dies beabsichtigt, hätte er bei der den Gebührenrahmen jeweils bestimmenden Höhe der Geldbußen stärker differenziert und nicht, wie geschehen, Geldbußen von 40 bis 5000 Euro in einem Gebührentatbestand zusammengefasst. Bei der Beurteilung der Bedeutung einer Angelegenheit ist vielmehr der Besonderheit der Angelegenheit und der besonderen Umstände Rechnung zu tragen, die gerade für die Bedeutung dieser Angelegenheit ausschlaggebend sind. Abzustellen ist somit bei Verkehrsordnungswidrigkeiten auf die drohenden Punkte im Verkehrszentralregister, eine etwaige Vorbelastung, ein drohendes Fahrverbot bzw. Fahrerlaubnisentzug und etwaige Schadensersatzansprüche sowie das Angewiesensein des Betroffenen auf die Fahrerlaubnis. Für den vorliegenden Fall gilt unter Berücksichtigung dieser Umstände folgendes:

Die Bedeutung der Angelegenheit war unterdurchschnittlich.

Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit waren unterdurchschnittlich.

Unterdurchschnittliche Bedeutung sowie unterd...

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