rechtskräftig

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 21,73 EUR sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 250 EUR, jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.09.2021 sowie weitere 83,54 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.09.2021 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf 525,23 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.

Aus dem hinsichtlich der Einstandsverpflichtung der Beklagten unstreitigen Verkehrsunfall vom 21.9.2020 hat die Klägerin zunächst einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 21,73 EUR, §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 249 BGB. In dieser Höhe sind ihr Attestkosten des … Klinikums … anlässlich ihrer Vorstellung nach dem Verkehrsunfall entstanden (AS7). Aus dem Verkehrsunfall resultierte auch eine unfallkausale Verletzung in Form einer HWS-Distorsion, dazu noch weiter unten. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus dem eingeholten medizinischen Gutachten …. (AS111). Der Beklagten ist indes zuzustimmen, als dass die in der Rechnung enthaltenen Mahnkosten von 3,50 EUR nicht der Beklagten anzulasten sind.

Angesichts der erlittenen Verletzung steht der Klägerin zudem ein Schmerzensgeld in Höhe von 250 EUR zu.

Das Gericht hat sich zunächst durch Einholung eines verkehrstechnischen sowie eines medizinischen Gutachtens davon überzeugt, § 286 ZPO, dass bei der zuvor beschwerdefreien und medizinisch unauffälligen Klägerin unfallbedingt eine HWS-Distorsion eingetreten ist. Das technische Gutachten (AS 61 ff.) kam zu einer Aufprallgeschwindigkeit von 5 km/h bei versetztem Heckanstoß, einer Geschwindigkeitsänderung von 9 km/h sowie zu einer Fahrgastzellenbeschleunigung von 2,1-3,3g. Ungeachtet dessen, dass der BGH eine Harmlosigkeitsgrenze nicht anerkennt (NJW 2008, 2845), ist insbesondere der Beschleunigungswert aufgrund der deutlich überwiegenden Masse des anstoßenden Fahrzeugs geeignet, die HWS-Distorsion bei der Klägerin zu begründen. Dies ergibt sich eindeutig aus dem medizinischen Gutachten (AS 94 ff.). Die Art des Aufpralls (Heckanstoß), der bei der Klägerin unfallzeitnah erhobene Befund (Muskelhartspann, Steilfehlhaltung HWS), die vorherige glaubhaft beschriebene Symptomfreiheit, die zeitnah aufgetretenen typischen Symptome sowie die nachvollziehbare zeitliche Verringerung der Beschwerden binnen einer Frist von 1-2 Wochen sprechen neben fehlenden körperlichen Anomalien oder degenerativen Veränderungen bei einer 22-jährigen Klägerin eindeutig für das Vorliegen einer unfallbedingten HWS-Distorsion. Die insoweit erhobenen Einwendungen der Beklagtenseite verbleiben im Theoretischen und schmälern die gewonnene Überzeugung des Gerichts nicht.

Die Höhe des Schmerzensgeldes ist mit 250 EUR angemessen, aber auch erforderlich. Im Hinblick auf die Billigkeit der Entschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB sind lediglich geringfügige Verletzungen für die Entschädigung unbeachtlich (BGH NJW 1992, 1043). Eine solche geringfügige Verletzung, die üblicherweise den Verletzten nicht nachhaltig beeindruckt, weil er schon auf Grund des Zusammenlebens mit anderen Menschen daran gewöhnt ist, vergleichbaren Störungen seiner Befindlichkeit ausgesetzt zu sein (BGH NZV 2004, 344), liegt hier ersichtlich nicht vor. Die Beeinträchtigungen der Klägerin waren somatisch und psychisch spürbar (Übelkeit, Schwindel, arbeitsunfähig für 3 Tage, beschwerdefrei erst nach 2 Wochen, Konsum von Schmerzmitteln). Insofern kann auch eine HWS-Distorsion ohne Beachtung eines bestimmten medizinischen Grades ein Schmerzensgeld auslösen, wenn sie „für das Alltagsleben nicht typisch, sondern regelmäßig mit einem besonderen Schadensfall verbunden ist und […] die Verletzung […] eine mehrtägige Arbeitsunfähigkeit” nach sich zieht (BGH NJW 1998, 810). So liegt der Fall wie gesehen hier.

Die Höhe des konkret zuzubilligenden Schmerzensgeldes hängt entscheidend vom Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten ab (OLG München, Urt. v. 11.5.2022 – 10 U 2165/21, juris; BGH VersR 1976, 440). Die Schwere dieser Belastungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt (BGH NJW 2006, 1068). Besonderes Gewicht kommt etwaigen Dauerfolgen der Verletzungen zu (OLG Hamm zfs 2005, 122). In Anbetracht der oben geschilderten Beeinträchtigungen und beim Vergleich mit anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist ein höherer Betrag als 250 EUR nicht erforderlich. Die Schmerzen waren vorhanden, aber zeitlich begrenzt. Es waren keine Folgemaßnahmen oder weitere Arzttermine erforderlich. Andere Medikamente als Schmerzmittel mussten nicht eingenommen werden. Die Arbeit wurde, wenngleich wohl aus intrinsischen Motiven, nach drei Tagen wieder aufgenommen. Vergleichbare Entscheidungen bemessen be...

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