Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für die Ablehnung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren

 

Normenkette

InsO § 270 Abs. 2 Nr. 2

 

Tenor

wird wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung heute, am 01.07.2013, um 08:30 Uhr das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Antrag auf Eigenverwaltung wird abgelehnt.

[…]

 

Gründe

Gründe (für die Ablehnung der Eigenverwaltung):

Der Antrag auf Eigenverwaltung wird abgelehnt, weil zu erwarten ist, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird (§ 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO).

Das unbestimmte Tatbestandsmerkmal „Nachteile” in § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO ist weit und in einem die gesamten Interessen aller Verfahrensbeteiligten berücksichtigenden Sinne auszulegen. Ist bereits bekannt oder den Umständen nach aus einer Gesamtwürdigung aller bekannten Informationen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Anordnung der Eigenverwaltung die Sanierungschancen für ein Unternehmen gegenüber der Ablehnung der Eigenverwaltung beeinträchtigt, etwa weil Lieferanten, Waren- und/oder Geldkreditgeber nicht bereit sind, sich unter der bisherigen Führung an einer kooperativen Sanierung zu beteiligten und einen Sanierungsbeitrag zu leisten oder auch nur die Belieferung aufrecht zu erhalten, so resultieren hieraus Nachteile im Sinne von § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO (Hölzle, ZIP 2012, 158, 159 f.; ihm folgend Buchalik, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl. 2012, § 270 Rn. 14). Diese fehlende Bereitschaft können Gläubiger entweder bereits im Vorgriff auf einen erwarteten Insolvenzantrag durch eine (mittels Schutzschrift) vorbereitete Gläubigeranregung oder im Insolvenzeröffnungsverfahren ausdrücken. Erforderlich ist dabei eine ernsthafte Erklärung der Gläubiger, dass sie sich bei Anordnung der Eigenverwaltung nicht an einer kooperativen Sanierung beteiligen werden; die Meinungsäußerung einer bloßen Skepsis gegenüber der Eigenverwaltung genügt insoweit nicht (Buchalik, a.a.O.). Handelt es sich dabei um für das Unternehmen und das Gelingen der Sanierung wesentliche Gläubiger, wird das Gericht von der Anordnung der Eigenverwaltung abzusehen haben (Hölzle, ZIP 2012, 160; ihm folgend Buchalik, a.a.O., § 270 Rn. 14).

Ein Beschluss eines vorläufigen Gläubigerausschusses im Insolvenzverfahren zur Eigenverwaltung kann derartige Nachteile ebenfalls aufzeigen, sofern in seiner Begründung konkrete Umstände dargelegt werden, die im Falle der Anordnung der Eigenverwaltung Nachteile für die Gläubiger erwarten lassen, oder hierdurch zum Ausdruck kommt, dass sich wesentliche Gläubiger bei der Anordnung der Eigenverwaltung nicht an der kooperativen Sanierung beteiligen werden. Ein – auch einstimmiger – unbegründeter Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses, der sich gegen die Eigenverwaltung ausspricht, lässt hingegen keine Nachteile für die Gläubiger erkennen. Gebunden ist das Gericht ohnehin gemäß § 270 Abs. 3 S. 2 nur an einen einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses, der den Antrag auf Eigenverwaltung unterstützt und deren Anordnung damit als nicht nachteilig für die Gläubiger gelten lässt.

Hiernach sind vorliegend Umstände bekannt, die erwarten lassen, dass die Anordnung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubigerin führen wird.

Es ist der Schuldnerin seit 2011 nicht gelungen, eine Erfolg versprechende Sanierung auf den Weg zu bringen. Zwar konnten zunächst weitreichende Vereinbarungen mit den wesentlichen Gläubigern des Verfahrens getroffen und ein Sanierungskonzept erstellt werden. In Folge des Sanierungskonzepts kam es Mitte Februar 2013 zur Unterzeichnung eines umfassenden Sanierungseckpunktepapiers, welches alle wesentlichen Gläubiger anfänglich auch mitgetragen haben. Die Sanierung war ausweislich des Eckpunktepapiers jedoch an verschiedene Bedingungen geknüpft, die zunächst bis Ende März 2013 hätten eintreten müssen, was nicht erfolgte. Die Frist wurde sodann einvernehmlich bis Anfang Mai 2013 verlängert. Nachdem auch dieser Termin verstrichen war, kündigte die größte Gläubigerin des Verfahrens die Vereinbarung auf und kündigte zudem die von ihr ausgereichten Darlehen und stellte diese fällig, womit die außergerichtliche Sanierung endgültig gescheitert war (vgl. Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 26.06.2013, S. 19). Bereits hierdurch brachte die größte Gläubigerin zum Ausdruck, dass sie zu einer Fortsetzung der Sanierungsbemühungen unter der bisherigen Führung nicht bereit war. Dies hat sie durch Schriftsätze vom 07.05.2013 und 10.05.2013 bekräftigt, in denen sie sich gegen die Anordnung der Eigenverwaltung aussprach, da es in den vergangenen sechs Monaten nicht gelungen sei, eine Erfolg versprechende Sanierung auf den Weg zu bringen, und daher zu erwarten sei, dass dies auch in Eigenverwaltung künftig nicht gelingen werde. Zwei weitere maßgebliche Gläubiger sprachen sich im Übrigen mit Schriftsatz vom 10.05.2013 sowie einer nicht unterzeichneten, per E-Mail eingegangenen Erklärung vom 10.05.2013 gegen die Anordnung der Eigenv...

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