Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufmerksamkeitsanforderungen an Einparkenden und Aussteigenden

 

Leitsatz (amtlich)

1. An die Sorgfalt des Fahrers eines Fahrzeugs, der auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz in eine Parklücke einparken will, sowie an die Sorgfaltspflicht des Insassen eines neben dieser Parklücke abgestellten weiteren Fahrzeugs beim Aussteigen sind gleich hohe Anforderungen zu stellen. In der Regel ist bei einer Kollision des einparkenden Fahrzeugs mit einer während dieses Einparkvorgangs teilweise geöffneten Fahrzeugtür des bereits geparkten Fahrzeugs eine hälftige Schadensaufteilung sachangemessen (Fortführung von OLG Frankfurt, Urteil v. 09.06.2009 - 3 U 211/08 [bei [...] = NJW 2009, 3038 ff).

2. Auch der Umstand, dass der in die Parklücke einfahrende Fahrzeugführer womöglich nicht erkennen kann, dass sich in dem daneben abgestellten Fahrzeug aussteigebereite Personen befinden, entlastet ihn nicht, da er damit rechnen muss, dass das Fahrzeug noch mit Insassen besetzt ist, so lange er sich nicht hinreichend vom Gegenteil überzeugen kann. Der in die Parklücke einfahrende Fahrzeugführer muss sich vielmehr auf ein Türöffnen des Nachbarfahrzeuges einstellen und darf gerade nicht darauf vertrauen, dass sich dessen Insassen verkehrsgerecht verhalten würden. Dies gilt umso mehr dann, wenn der in die Parklücke einfahrende Kfz-Führer aufgrund der dunklen Scheiben des daneben geparkten Fahrzeugs nicht sehen kann, ob sich darin noch Personen aufhalten, da dieser, gerade wenn er die Insassensituation im Nachbarfahrzeug nicht verlässlich abschätzen kann, besonderen Anlass dazu hat, hinreichend sorgsam auf das Nachbarfahrzeug zu achten (Fortführung von LG Saarbrücken, U.v.29.05.2009 - 13 S 181/08 [bei [...]] = NJW-RR 2009, 1250 ff.).

 

Normenkette

StVG § 7 Abs. 1, § 17 Abs. 1-3, § 18; StPO § 244 Abs. 3 S. 2 Alt. 2; StVO §§ 1, 3 Abs. 1 S. 2, § 14 Abs. 1; BGB § 249 Abs. 2 S. 2, § 823 Abs. 1; VVG § 115 Abs. 1; PflVG § 1; ZPO § 287 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um im Rahmen einer Klage und (Dritt-)Widerklage geltend gemachte gegenseitige Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 03.09.2011 auf dem Parkplatz der Kleingartenanlage Z. ereignete, wobei dieses Parkgelände von jedermann benutzt und befahren werden kann. Der Kläger führte mit seinem bei der Drittwiderbeklagten haftpflichtversicherten Pkw einen Einparkvorgang in vorwärtiger Richtung durch. Unmittelbar neben der vom Kläger ausgewählten Parklücke befand sich in der linksseitigen Nachbarparkbucht der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherte Pkw des Beklagten zu 1), welcher dort in der Parkendposition mit ausgeschaltetem Motor stillstand. Während des Einparkvorgangs des Klägers öffnete die auf dem Beifahrersitz des Beklagtenfahrzeugs befindliche Ehefrau des Beklagten zu 1), die Zeugin S, dessen Beifahrertüre, um auszusteigen. In diesem Zusammenhang kam es zur Kollision der Beifahrertür des Beklagtenfahrzeugs mit der linken Frontseite des in die Parklücke einfahrenden klägerischen Pkws.

Das AG gab der Klage und (Dritt-)Widerklage - auf der Grundlage einer beiderseitigen hälftigen Haftungsquote - teilweise statt unter (hälftiger) Klage- und (Dritt-)Widerklageabweisung im Übrigen, wobei die jeweiligen Schadenspositionen der Höhe nach unbestritten waren.

 

Entscheidungsgründe

(...) I.2. Gemäß §§ 7, 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG ist eine Abwägung der beiderseitigen Verschuldens- und Verursachungsbeiträge vorzunehmen. Dabei dürfen indes nur bewiesene und unstreitige Umstände in die Abwägung eingestellt werden (BGH NZV 1995, 145). Nach durchgeführter Beweisaufnahme steht vorliegend zum einen fest, dass die Beifahrertüre des Beklagtenfahrzeugs ohne sorgfältige Rückversicherung des von hinten herannahenden Verkehrs unvermittelt geöffnet wurde. Zum anderen ist unstreitig, dass das Klägerfahrzeug mit einer Geschwindigkeit von circa 6 km/h den Einparkvorgang vornahm und dass das rechtsseitig daneben geparkte Fahrzeug bereits die linksseitige Parkplatzbegrenzung von dessen Parktasche überschritten hatte ebenso wie das Klägerfahrzeug die linksseitige Parkplatzbegrenzung seiner Parklücke im Verhältnis zur linksseitig daneben befindlichen Parkbucht des Beklagtenfahrzeugs überfahren hatte. Das Gericht hält vorliegend daher eine hälftige Haftungsverteilung dem Grunde nach für sachangemessen. Ausgangspunkt hierbei ist das auf Parkplatzanlagen vorherrschende Prinzip der gesteigerten gegenseitigen Rücksichtnahme, wonach bei einem Zusammenstoß auf einem Parkplatz die allgemeinen Regeln der StVO teilweise nur entsprechend gelten, teilweise durch den Grundsatz der wechselseitigen Rücksichtnahme ersetzt werden, so dass in aller Regel -wie auch hier- von einer hälftigen Schadensteilung auszugehen ist (vgl. dazu Grüneberg, Haftungsquote bei Verkehrsunfällen, 12. Aufl. 2012, Vorbemerkung Rn 272 f und 273). Unter Zugrundelegung der Wertung der Gebote aus der StVO nimmt das Gericht vorliegend einen in jedem Fall gleichermaßen zu gewichtenden Verstoß beider Verkehr...

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