Tenor

Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Jugendamtes des Landkreises B. vom 29.10.2004 - UR 576/2004 - wird abgelehnt.

 

Gründe

Durch die genannte Urkunde hat sich der Kläger in Abänderung einer früher beurkundeten Verpflichtung gegenüber der am 13.06.1987 geborenen Beklagten, seiner Tochter, zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts in Höhe von 193,50 EUR verpflichtet. Die der Vollstreckung zugrunde liegende Urkunde ist nicht befristet. Die Beklagte besucht eine allgemeinbildende Schule. Nachdem der Kläger im Juli 2005 und nochmals im Oktober 2005 die Mutter der Beklagten aufgefordert hatte, den Unterhalt neu berechnen zu lassen, weil mit Eintritt der Volljährigkeit beide Elternteile barunterhaltspflichtig geworden seien, erteilte die Beklagte am 17.11.2005 Vollstreckungsauftrag.

Mit der Klage will der Kläger festgestellt wissen, daß die Zwangsvollstreckung unzulässig ist, soweit es Unterhaltsbeträge für die Zeit ab Juli 2005 anbelangt. Zugleich beantragt er die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung.

Er macht dazu geltend, aus dem existierenden nicht dynamisierten Titel könne die Beklagte wegen § 798a ZPO nicht mehr vollstrecken, nachdem sie volljährig geworden sei. Im übrigen sei er nicht leistungsfähig, weil er lediglich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 680,10 EUR erhalte.

Die einstweilige Einstellung der weiteren Vollstreckung aus der genannten Urkunde gemäß § 769 Abs. 1 ZPO war abzulehnen.

Zutreffend ist, daß seit dem Eintritt der Volljährigkeit der Beklagten deren Mutter ebenfalls barunterhaltspflichtig geworden ist. Nach BGH (FamRZ 2002, 815) hat der Gesetzgeber die Gleichstellung sogenannter privilegierter volljähriger Kinder bewußt nicht auf die Regelung des § 1606 Abs. 3 BGB erstreckt, wonach der Elternteil, bei dem sich das Kind aufhält, seine Unterhaltspflicht in der Regel durch die Betreuung erfüllt. Daraus ergibt sich, daß ab dem Zeitpunkt der Volljährigkeit auch dieser Elternteil zur Leistung von Barunterhalt verpflichtet ist. Ob sich daraus eine Veränderung der Höhe der Unterhaltspflicht des Klägers folgt, ist allerdings noch ungeklärt und nicht ohne weiteres gewiß oder aus dem Vortrag des Klägers herleitbar.

Er selbst bleibt gegenüber der Beklagten jedenfalls nach § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB weiterhin unterhaltspflichtig. Dabei kann er sich vor dem Hintergrund der gesteigerten Erwerbsobliegenheit gegenüber minderjährigen oder ihnen gleichgestellten volljährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB nicht allein darauf berufen, daß er ein unzureichendes Einkommen habe, soweit - wie hier - nicht mehr als der Regelbetrag verlangt wird. Daraus, daß der Kläger auf seine Schreiben an die Mutter der Beklagten keine Antwort über die Höhe von deren Einkommen bekam, kann der Kläger im Verhältnis zu der Beklagten nichts herleiten. Denn aus der Volljährigkeit der Beklagten folgt auch, daß sie sich die Handlungen und Unterlassungen ihrer Mutter nicht mehr als solche eines gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen muß.

Die Einstellung der Zwangsvollstreckung wäre deswegen nur dann gerechtfertigt, wenn unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern der Beklagten die Urkunde des Jugendamtes in jedem Falle keine Grundlage für eine Vollstreckung mehr sein könnte. Das ist nicht der Fall.

Gegenüber einem nach den Maßgaben des § 1612a BGB errichteten Titel kann nach § 798a ZPO auch für Zeiträume nach Eintritt der Volljährigkeit bis zur eventuellen Abänderung weiter vollstreckt werden, weil der Unterhaltspflichtige den Eintritt der Volljährigkeit (allein) nicht einwenden kann. Im Umkehrschluß könnte daraus abgeleitet werden, daß andere Titel, namentlich solche mit statischen Unterhaltsbeträgen, zur Vollstreckung des Unterhaltsanspruches der Zeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres nicht mehr geeignet sind, weil ihnen dieser Einwand entgegengehalten werden kann.

Das OLG Brandenburg (FamRZ 2004, 1888 ), dem allerdings ein zeitlich bis zur Volljährigkeit befristeter Titel vorlag, hatte § 798a ZPO noch eng ausgelegt und es nicht für zulässig gehalten, der Bestimmung ein Vollstreckungshindernis für andere als die darin genannten Titel zu entnehmen; denn nur bei dynamisierten Titeln des § 1612a BGB stelle sich überhaupt die Fortgeltungsfrage. (Der redaktionelle Leitsatz führt in die Irre und gibt die Entscheidung nicht ganz zutreffend wieder.)

Nach Auffassung des OLG Hamm (FamRZ 2006, 48 m. Anm. Otten) ist dagegen die Vollstreckung aus einem nicht dynamisierten, auch unbefristeten Unterhaltstitel bei Einwand der Volljährigkeit nicht mehr möglich. Das volljährige Kind müsse in diesem Fall für den Unterhalt ab Volljährigkeit einen neuen Titel schaffen.

Die Entscheidung des BGH (VII ZB 21/05) in FamRZ 2005, 2066 könnte in gleicher Weise verstanden werden, auch wenn sie sich konkret allein auf die nach der früheren Regelunterhaltsverordnung und § 1615f BGB entstandenen Titel bezieht.

Danach ist zunächst § 798a ZPO nur auf solche Vollstreckungstitel...

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