Entscheidungsstichwort (Thema)

Fiktives Vergleichseinkommen gem. § 295 Abs. 2 InsO muss selbstständig tätiger Schuldner zum Ende der Wohlverhaltensperiode an Treuhänder zahlen. Zahlung des fiktiven Vergleichseinkommens gem. § 295 Abs. 2 InsO durch einen selbstständig tätigen Schuldner zum Ende der Wohlverhaltensperiode an Treuhänder. Stellen von Versagungsanträgen gem. § 295 Abs. 2 InsO zum Abschluss des Verfahrens i.R.d. § 300 InsO. Bestehen eines Auskunftsanspruchs gem. § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsOüber die Einnahmen aus Selbständigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das fiktiven Vergleichseinkommen gem. § 295 Abs. 2 InsO muss ein selbständig tätiger Schuldner erst zum Ende der Wohlverhaltensperiode an den Treuhänder zahlen.

2. Versagungsanträge gem. § 295 Abs. 2 InsO können erfolgreich erst zum Abschluss des Verfahrens im Rahmen des § 300 InsO gestellt werden.

3. Ein Auskunftsanspruch gem. § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO über die Einnahmen aus der Selbständigkeit besteht nicht.

 

Normenkette

InsO § 295 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 300

 

Tenor

Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

 

Tatbestand

I.

Über das Vermögen des Schuldners 27.04.2009 unter Bewilligung von Stundung das Insolvenzverfahren eröffnet und nach Ankündigung der Restschuldbefreiung mit Beschluss vom 05.01.2010 aufgehoben worden. Den Geschäftsbetrieb (Buchführungsservice) hat der Insolvenzverwalter zum 03.09.2009 freigegeben. Mit Schreiben vom 30.06.2011 hat die Gläubigerin lfd. Nr. 5, deren Forderung zur Tabelle mit 3.033,71 festgestellt ist, Versagung der Restschuldbefreiung beantragt. Zur Begründung trägt sie vor, der Schuldner komme seiner Verpflichtung zur Zahlung des monatlichen Unterhaltes von 362 EUR für den 1994 geborenen Sohn nicht nach. Trotz Hinweises habe der Schuldner seine keinen oder nur geringen Gewinn abwerfende Tätigkeit nicht aufgegeben und sei nicht in seinem erlernten Beruf als Steuerfachangestellter tätig. Auch Nachweis über Erwerbsbemühungen habe er nicht vorgelegt. Beigefügt war dem Antrag eine Aufstellung über Unterhaltsrückstände von 12.070 EUR für den Zeitraum März 2007 – Juni 2011. Der Treuhänder hat mitgeteilt, dass der Schuldner auch nach Freigabe seiner selbständigen Tätigkeit keine Zahlungen an die Masse leistete. Das Gericht hat dem Schuldner mit Schreiben vom 11.08.2011 aufgefordert, einen aktuellen Einkommensnachweis vorzulegen. Eine Reaktion darauf ist nicht erfolgt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Voraussetzungen für eine Versagung der Restschuldbefreiung liegen nicht vor.

Der Antrag ist unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.

1.

Der Antrag ist unzulässig, soweit sich die Antragstellerin auf nach Verfahrenseröffnung aufgelaufene Unterhaltsrückstände beruft. Die Antragstellerin ist nicht antragsbefugt. Versagungsanträge können gem. § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO nur Insolvenzgläubiger stellen. Es ist zwar eine Forderung der Gläubigerin zur Insolvenztabelle festgestellt. Diese betrifft aber nur den vor Eröffnung entstandenen Zahlungsanspruch. Hinsichtlich der nach Eröffnung entstandnen Ansprüche ist die Antragstellerin nicht Insolvenzgläubigerin i.S.d. § 38 InsO, sondern Neugläubigerin. Diese muss ihre Ansprüche außerhalb des Insolvenzverfahrens verfolgen. Ein Vollstreckungsverbot besteht für sie jedenfalls nach Aufhebung des Verfahrens nicht, da § 294 InsO nur die Vollstreckung von Insolvenzgläubigern für unzulässig erklärt. Als Unterhaltsgläubigerin ist sie sogar privilegiert, da sie gem. § 850d ZPO vollstrecken kann.

2.

Im Übrigen ist der Antrag ebenfalls unzulässig bzw. unbegründet. Der von der Gläubigerin dargelegte Sachverhalt fällt nicht unter die in § 295 InsO aufgeführten Versagungstatbestände. Die Vorschriften des § 295 Abs. 2 InsO und § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO greifen nicht ein.

a)

§ 295 Abs. 2 InsO verpflichtet selbständig tätige Schuldner, Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, als ob er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre.

aa)

Die Antragstellerin hat schon nicht dargelegt, dass der Schuldner bei abhängiger Tätigkeit Einkommen im pfändbaren Bereich erzielen könnte und somit die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt ist (§ 296 Abs. 1 Satz 1 InsO). Im Hinblick auf die nachfolgenden Ausführungen hat das Insolvenzgericht davon abgesehen, von der Antragstellerin ergänzende Angaben einzufordern.

bb)

Die Wohlverhaltensperiode endet am 27.04.2015. Für einen selbständig tätigen Schuldner sind regelmäßige Zahlungen an den Treuhänder empfehlenswert, aber nicht zwingend. Es genügt, dass die Zahlungen am Ende der Wohlverhaltensperiode erbracht werden (LG Potsdam, Beschl. v. 01.10.2009 – AZ: 5 T 322/09, ZInsO 2010, 252 ; AG Charlottenburg, Beschl. v. 31.03.2009 – AZ: 109 IN 1419/04, ZInsO 2009, 1219 ; Streck in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2009, § 295 InsO Rn. 27 ; Schmerbach in: Präsenzkommentar Haarmeyer/Wutzke/Förster, § 296 InsO Rn. 28 ; Küpper/Heinze, Zu den Risiken und Nebenwirkungen der Abführungspflicht au...

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