Verfahrensgang

AG Potsdam (Beschluss vom 30.03.2009; Aktenzeichen 35 IN 801/05)

 

Tenor

1. Die Sache wird auf die Kammer übertragen. Die Kammer entscheidet.

2. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 20.04.2009 wird der Beschluss des Amtsgerichtes Potsdam vom 30.03.2009 aufgehoben und der Antrag des beteiligten Finanzamtes vom 16.10.2008 zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Über das Vermögen der Beschwerdeführerin wurde am 29.07.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet (Bl. 41 GA).

Am 25.01.2006 reichte der Insolvenzverwalter seinen Schlussbericht ein (Bl. 78 GA).

Mit Beschluss vom 11.09.2006 (Bl. 125 GA) hob das Amtsgericht Potsdam das Insolvenzverfahren nach Abhaltung des Schlusstermins ohne Verteilung auf (§ 200 InsO). Gleichzeitig kündigte es die Restschuldbefreiung an, sofern die Schuldnerin für sechs Jahre ab Eröffnung des Verfahrens (29.07.2005) ihre Obliegenheiten erfüllt und die Voraussetzung für eine Versagung nach § 297 oder 298 InsO nicht vorliegen.

Aus dem ersten Treuhänderbericht des Treuhänders vom 11.09.2007 folgt, dass die Schuldnerin als selbständige Propagandistin tätig war und weiterhin ist. Im Berichtszeitraum vom 11.09.2006 bis 11.09.2007 erzielte die Schuldnerin aus dieser Tätigkeit Einkünfte von durchschnittlich 453,15 EUR netto monatlich. Seit dem 10.04.2007 erzielte die Schuldnerin zudem Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit als Zahnarzthelferin beim Land Berlin. Das monatliche Nettoeinkommen beträgt insoweit durchschnittlich ca. 835,00 EUR. Das Arbeitsverhältnis wurde bis zum 31.12.2007 befristet.

Im zweiten Treuhänderbericht vom 17.09.2008 für den Zeitraum vom 11.09.2007 bis 11.09.2008 teilte der Treuhänder weiter mit, dass die Schuldnerin seit dem 28.01.2008 wieder in unselbständiger Tätigkeit als Zahnarzthelferin beim Land Berlin tätig sei.

Auf die Tätigkeitsberichte wird Bezug genommen.

Mit Fax vom 16.10.2008 hat das beteiligte Finanzamt den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung nach § 296 Abs. 1 i.V.m. § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO und § 295 Abs. 2 InsO gestellt (Bl. 11 GA).

Das beteiligte Finanzamt vertritt die Auffassung, dass die Schuldnerin ihren Obliegenheiten nicht nachgekommen sei. So liege ein Verstoß gegen § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO vor, da die Schuldnerin als selbständige Propagandistin tätig sei und weiterhin Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Zahnarzthelferin seit dem 10.04.2007 beziehe. Unter Berücksichtigung einer unterhaltspflichtigen Person -des Sohnes der Beschwerdeführerin- habe der Treuhänder keine pfändbaren Beträge zur Masse ziehen können.

Bei der Berechnung der abzuführenden pfändbaren Beträge sei nachweislich bis zum 11.09.2007 der Sohn der Schuldnerin, geboren am 16.03.1989, als unterhaltsberechtigte Person berücksichtigt worden. Nach den vorliegenden Informationen sei die Berücksichtigung des Sohnes als unterhaltsberechtigte Person jedoch nicht zutreffend. Diese erziele seit dem 01.09.2005 eigene Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei der Firma R. B. C. Berlin GmbH und zwar in Höhe von netto 640,00 EUR. Demgemäß sei eine unterhaltsberechtigte Person berücksichtigt worden, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen hätten.

Ebenso sei ein Verstoß gegen § 295 Abs. 2 InsO gegeben.

Gehe ein selbständiger Schuldner zusätzlich einer abhängigen Beschäftigung nach, müsse er die dem Treuhänder aufgrund der Abtretung zufließenden Einkünfte um den Betrag aufstocken, der den Gläubigern zugeflossen wäre, wenn er anstelle der selbständigen Tätigkeit auch insoweit abhängig beschäftigt gewesen wäre.

Da die Schuldnerin seit dem 10.04.2007 sowohl als angestellte Zahnarzthelferin als auch als selbständige Propagandistin tätig gewesen sei, habe eine Aufstockung erfolgen müssen.

Auch sei dadurch eine Gläubigerbeeinträchtigung eingetreten. Aufgrund der fehlerhaften Berücksichtigung einer unterhaltsberechtigten Person und der Nichtberücksichtigung des Aufstockungsbetrages seien zu Unrecht keine Beträge zur Insolvenzmasse gezogen worden. Es sei angemessen, zur Berechnung des nach § 295 Abs. 2 InsO abzuführenden Betrages mindestens einen Nettolohn von 1.350,00 EUR in Ansatz zu bringen. Dieser entspreche dem monatlichen Gehaltsbezug für die Berichtszeiträume, den die Schuldnerin als angestellte Propagandistin hätte beziehen können. Demgemäß hätten 13.382,40 EUR – wie das beteiligte Finanzamt im Einzelnen berechnet, worauf verwiesen wird – zur Masse gezogen werden müssen.

Die Schuldnerin habe auch schuldhaft gehandelt, nachdem einfache Fahrlässigkeit, die gegeben sei, für die Erfüllung des Tatbestandes ausreiche.

Schließlich sei auch die Frist des § 296 Abs. 1 Satz 2 InsO gewahrt. Das beteiligte Finanzamt habe erst am 16.10.2007 im Rahmen der jährlichen Überprüfung der Erfüllung der Obliegenheiten Kenntnis von den Obliegenheitsverstößen erhalten. Mit Schreiben vom 15.10.2007 bzw. 29.09.2008 seien die zur Prüfung erforderlichen Treuhänderberichte der ersten beiden Jahre der Wohnverhaltensperiode angefordert und am 16.10.2007 übersandt worden. Aus diesen habe das Finanzamt erstm...

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