Leitsatz

Bestandskräftiger Beschluss bereits aus dem Jahr 1984 über die Gestattung baulicher Veränderungen (hier: Anbringung von Windabweisern auf Balkonen) wirkt sich auch zu Gunsten von Sonderrechtsnachfolgern aus, die erst jetzt die baulichen Veränderungen vornehmen

 

Normenkette

§§ 10 Abs. 3, 22 Abs. 1, 23 Abs. 4 WEG; § 242 BGB

 

Kommentar

  1. In einer Eigentümerversammlung 1984 wurde unangefochten und damit bestandskräftig mehrheitlich beschlossen, dass an bestimmten Balkonen unter einigen mitbeschlossenen Auflagen Windabweiser angebracht werden dürften. Sonderrechtsnachfolger im Wohnungseigentum beriefen sich heute auf diese Gestattung. Während Beseitigungsansprüche vom AG und LG bestätigt wurden, hatte die Rechtsbeschwerde der baulich ändernden Antragsgegner Erfolg.
  2. Die Beschlusskompetenz für die Genehmigung solcher baulichen Veränderungen war gegeben (vgl. BGH v. 20.9.2000, V ZB 58/99, NJW 2000, 3500). Ein solcher Gestattungsbeschluss wäre allein anfechtbar gewesen. Aufgrund nicht erfolgter Anfechtung entfaltete dieser Beschluss gem. § 10 Abs. 3 WEG Bindungswirkung auch für diejenigen Miteigentümer, die erst zeitlich nach der Beschlussfassung durch Eigentumserwerb in die Gemeinschaft eingetreten sind. Die Berechtigung der Anbringung der Windabweiser durch die Rechtsnachfolger war auch nicht durch Zeitablauf erloschen; ein solcher Eigentümerbeschluss kann auch nicht als verwirkt im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) angesehen werden. Das Rechtsinstitut der Verwirkung beschränkt sich auf eine illoyale Verspätung der Ausübung einer Rechtsposition. Vorliegend führte der Eigentümerbeschluss als Rechtsgeschäft zu einer unmittelbaren Umgestaltung der Rechtslage, wobei sich die Rechtswirkungen eines solchen Beschlusses allein durch seinen Inhalt bestimmen. Im Beschluss wurde keine Befristung festgelegt, wie sie nach § 163 BGB durchaus möglich gewesen wäre; somit bietet auch § 242 BGB keine Grundlage, die rechtsgeschäftlichen Wirkungen gleichwohl mit einem Endtermin zu versehen. Ein Eigentümerbeschluss kann allerdings durch einen abändernden Zweitbeschluss aufgehoben oder abgeändert werden, soweit schutzwürdige Belange eines Eigentümers aus Inhalt und Wirkungen des Erstbeschlusses beachtet werden (vgl. BGH v. 20.12.1990, V ZB 8/90, NJW 1991, 979). In diesem Rahmen kann auch durch Eigentümerbeschluss nach den Umständen des Einzelfalles der Widerruf einer in der Vergangenheit erfolgten Genehmigung einer baulichen Veränderung erfolgen. Die Möglichkeit eines abändernden Zweitbeschlusses unter den genannten einschränkenden Voraussetzungen ermöglicht daher eine sachgerechte Abwägung der Interessen der Eigentümer, sodass auch aus diesem Grund für eine darüber hinausgehende Anwendung des § 242 BGB kein Raum bleibt. Vorliegend erfolgte allerdings kein Widerruf der Genehmigung durch einen solchen Zweitbeschluss.
 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Beschluss vom 09.09.2004, 15 W 281/04OLG Hamm v. 9.9.2004, 15 W 281/04, mitgeteilt von Anwaltskanzlei Regenbogen in Olsberg

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