Das Wichtigste in Kürze:

1. Grds. sind HV nach § 169 Abs. 1 S. 1 GVG öffentlich.
2. Geringfügige Erschwerungen des Zutritts zur HV sind unschädlich.
3. Die möglichen Gründe für einen Ausschluss der Öffentlichkeit sind in den §§ 171a ff. GVG enthalten.
4. Von besonderer praktischer Bedeutung ist der Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b GVG zum Schutz von Persönlichkeitsrechten.
5. Zwar kann das Gericht die Öffentlichkeit von Amts wegen ausschließen, der Verteidiger wird aber im Zweifel den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragen, wenn er das im Interesse seines Mandanten für erforderlich hält.
6. Die Ausschließung der Öffentlichkeit verkündet das Gericht durch Beschluss. Dieser kann nicht durch eine Anordnung des Vorsitzenden ersetzt werden.
7. Gegen den Ausschließungsbeschluss können die Prozessbeteiligten gem. § 305 S. 1 keine Beschwerde einlegen. Ein Verstoß gegen die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens ist nach § 338 Nr. 6 absoluter Revisionsgrund.
 

Rdn 506

 

Literaturhinweise:

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Beulke, Neugestaltung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens, JR 1982, 309

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Fromm, Verteidigung zu COVID-19-Pandemiezeiten in Verkehrsbußgeldverfahren, DAR 2021, 51

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Gössel, Über die revisionsrechtliche Nachprüfbarkeit von Beschlüssen, mit denen die Öffentlichkeit gemäß §§ 172, 173 GVG im Strafverfahren ausgeschlossen wird, NStZ 1982, 141

Grötzinger, Strafverteidigung in Zeiten der Pandemie, StV-S 2021, 28

Hassemer, Über die Öffentlichkeit gerichtlicher Verfahren – heute, ZRP 2013, 149

Heuser, Zur höchstrichterlichen Relativierung des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 6 StPO, HRRS 2019, 392

Kujath, Die Medienöffentlichkeit im "NSU-Prozess" Zur Vergabe von Medienplätzen im Strafprozess, AcP 2013, 269

Kulhanek, Saalöffentlichkeit unter dem Infektionsschutzgesetz, NJW 2020, 1183

Lesch, Der Begriff der Öffentlichkeit in der Revision, StraFo 2014, 353

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Ranft, Verfahrensöffentlichkeit und "Medienöffentlichkeit" im Strafprozeß, Jura 1995, 573

Rieß/Hilger, Das neue Strafverfahrensrecht – Opferschutzgesetz und Strafverfahrensänderungsgesetz 1987 – 2. Teil, NStZ 1987, 204

Roxin, Aktuelle Probleme der Öffentlichkeit im Strafverfahren, in: Festschrift für Karl Peters, 1974, S. 393

Schmidt, Öffentlichkeitsgrundsatz versus Hausrecht BGH NJW 1994, 2773, JuS 1995, 110

Schneider, Verletzung der Öffentlichkeit durch Bitte an einen Zuhörer, den Sitzungssaal zu verlassen?, StV 1990, 92

Wagner, Öffentlichkeitsgrundsatz und Inaugenscheinnahme im Rahmen der strafprozessualen Hauptverhandlung, StV 2019, 858

Wilke, Platzverweise in Berlin und München, DRiZ 2013, 152

Wullweber, Datenschutz – im strafrechtlichen Hauptverfahren ein Fremdwort?, SchlHA 2002, 225

s.a. die Hinw. bei → Ton- und Filmaufnahmen während der Hauptverhandlung, Teil T Rdn 3095.

 

Rdn 507

1. Grds. sind HV nach § 169 Abs. 1 S. 1 GVG öffentlich; der Grundsatz der Öffentlichkeit gilt auch im Bußgeldverfahren (BayObLG, Beschl. v. 6.7.2020 – 202 ObOWi 682/20, NZV 2021, 54; zur Bedeutung des Grundsatzes der Öffentlichkeit EGMR NJW 2009, 2873 und Lesch StraFo 2014, 353 ff.). Das bedeutet, dass jedermann sich ohne Rücksicht auf seine Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe ohne Schwierigkeit Kenntnis von Ort und Zeit der Verhandlung verschaffen kann und ihm im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten der Zutritt eröffnet wird (vgl. u.a. BVerfGE, 103, 44; BVerfG NJW 2012, 1863; s.a. BGH NJW 1979, 770 [Ls.; Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes bei HV in einer JVA, wo nur das Aufsichtspersonal Zutritt hat]; wegen der Einzelh. Meyer-Goßner/Schmitt, § 169 GVG Rn 3 m.w.N.; u.a. a. Ranft Jura 1995, 573; Wullweber SchlHA 2002, 225; zum Grundsatz der Öffentlichkeit in Zeiten von Sars-CoV-2/COVID-19 bzw. unter Geltung/Anwendung des IFSG Arnoldi NStZ 2020, 313; Kulhanek NJW 2020, 1183 und BGH, Beschl. v. 17.11.2020 – 4 StR 390/20, StV 2021, 226; Beschl. v. v. 6.1.2021 – 5 StR 363/20, StRR 4/2021, 13, wonach die Teilnahme als Zuhörer an einer öffentlichen HV einen unbenannten triftigen Grund i.S. einer Corona-Allgemeinverfügung darstellt). Befindet sich am Gerichtseingang ein Hinweis: "Das Amtsgericht ist freitags ab 13.00 Uhr geschlossen", ist das z.B. für eine nach diesem Zeitpunkt stattfindende HV nicht gewährleistet (OLG Zweibrücken NJW 1995, 3333). Der mit dem Geschäftsablauf bei Gericht nicht näher vertraute Bürger kann dadurch nämlich den (falschen) Eindru...

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