Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsbeschwerde. Rechtsbeschwerdegrund. Verfahrensrüge. Sachrüge. Urteilsaufhebung. Zurückverweisung. Öffentlichkeit. Öffentlichkeitsgrundsatz. Hauptverhandlung. Sitzungssaal. Hinweis. Aushang. Termin. Fortsetzungstermin. Geschwindigkeitsüberschreitung. Pkw. Geldbuße. Fahrverbot. Regelfahrverbot. Pflichtenverstoß. grob. Vollstreckungserleichterung. Urteilsgründe. Besucher. Augenschein. Inaugenscheinnahme. Dienstfahrzeug. Messgerät. Geschwindigkeitsmessgerät. Parkplatz. Gerichtsgebäude. Vernehmung. kommissarisch

 

Leitsatz (amtlich)

Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung gilt im gerichtlichen Bußgeldverfahren ebenso wie andere Maximen des Strafverfahrens grundsätzlich ungeschmälert. Allein daraus, dass die Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens nicht in einem Straf-, sondern ,lediglich' in einem (verkehrs-) gerichtlichen Bußgeldverfahren unterlaufen ist, folgt nichts anderes (u.a. Anschluss an OLG Celle, Beschl. v. 25.04.2005 - 222 Ss 69/05 [OWi] = NdsRpfl 2005, 255 = NZV 2006, 443 und 01.06.2012 - 322 SsBs 131/12 = StraFo 2012, 270 = NZV 2012, 449 ).

 

Normenkette

GVG § 169 Abs. 1 S. 1; StPO §§ 224-225, 338 Nr. 6, § 344 Abs. 2; OWiG § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1; StVG §§ 24, 25 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Abs. 2a S. 1, § 26a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2; BKatV § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; BKat Anhang Tabelle 1c Nr. 11.3.7

 

Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 10. Dezember 2019 mit den zugehörigen Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben.

  • II.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen am 10.12.2019 wegen einer am 05.04.2019 als Führer eines Pkw auf einer Bundesstraße fahrlässig begangenen Überschreitung der dort durch Zeichen 274 außerhalb geschlossener Ortschaften erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um (mindestens) 41 km/h zu einer Geldbuße von 240 Euro verurteilt und gegen ihn wegen des groben Pflichtenverstoßes nach den §§ 24 , 25 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. , 26a Abs. 1 Nr. 3 , Abs. 2 StVG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. lfd.Nr. 11.3.7 der Tabelle 1c zum BKat in der zur Tatzeit gültigen Fassung ein mit der Vollstreckungserleichterung nach § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG verbundenes Regelfahrverbot für die Dauer eines Monats angeordnet. Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 13.04.2020 abgegebene Gegenerklärung des Verteidigers des Betroffenen vom 08.06.2020 lag dem Senat vor.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde zwingt den Senat aufgrund der zulässig ausgeführten Verfahrensrüge der Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG i.V.m. §§ 338 Nr. 6 StPO , 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mitsamt seinen Feststellungen; auf die daneben (unausgeführt) erhobene Sachrüge kommt es deshalb nicht mehr unmittelbar an.

1. Die Rüge ist zulässig. Der Rügevortrag der Rechtsbeschwerde entspricht im Ergebnis, wie auch die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer vorgenannten Antragsschrift zutreffend feststellt, noch den gesetzlichen Begründungsanforderungen der §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 StPO . Insbesondere ergibt sich aus der Rechtfertigungsschrift vom 10.02.2020 neben der gerichtlich zu vertretenden faktischen Nichtwahrung der Öffentlichkeit noch hinreichend, dass es sich bei der Inaugenscheinnahme des in einem Dienstfahrzeug verbauten Geschwindigkeitsmessgeräts auf einem Parkplatz vor dem Gerichtsgebäude nicht nur um eine kommissarische Augenscheineinnahme i.S.d. §§ 225 , 224 StPO , sondern um die Durchführung eines Augenscheins innerhalb und damit als Bestandteil der Hauptverhandlung anlässlich des (Fortsetzungs-) Termins vom 10.12.2019 handelte. Jedenfalls aufgrund der ebenfalls erhobenen Sachrüge und dem hierdurch dem Senat zur Beurteilung der Rüge zusätzlich eröffneten Inhalt der Urteilsgründe ist auch der Gegenstand der gerichtlich angeordneten Inaugenscheinnahme, nämlich gerichtliche Feststellungen zu Art, Aussehen, Zustand und Anzahl der auf dem Messgerät angebrachten Eichmarken zu treffen, hinreichend konkret bezeichnet. Weiterer Darlegungen etwa des Inhalts, dass sich potentiell interessierte Besucher wegen des Fehlens eines entsprechenden Aushangs oder Hinweises vor dem Sitzungssaal tatsächlich in Anbetracht der örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten von einer Teilnahme an dem nur wenige Minuten dauernden Augenschein außerhalb der Gerichtsgebäudes hätten abhalten lassen (vgl. hierzu auch die in der Akte niedergelegte dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden vom 15.03.2020), bedarf es für die Zulässigkeit der Rüge nicht.

2. Die Rüge ist auch begründet. Der (absolute) Rechtsbes...

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