Rz. 55

Auch hierbei handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren, sofern die Vorgaben der Bedienungsanleitung eingehalten werden; für eine nähere Überprüfung des Messergebnisses bedarf es also konkreter Anhaltspunkten für eine Fehlmessung.[10] Die vorwerfbare Geschwindigkeit sowie deren Berechnung müssen sich jedoch klar aus den Urteilsfeststellungen ergeben.[11]

Wird durch einen Sachverständigen festgestellt, dass der Aufstellort – abweichend von der Bedienungsanleitung – nicht eben und parallel zur Fahrbahn war, handelt es sich um eine Fehlbedienung, über den das Gericht nicht ohne weiteres hinwegsehen kann. Die Korrektheit der Messung muss dann individuell geprüft werden.[12] Wird ein Sachverständiger zu Rate gezogen, sollte er für die Bewertung hinreichend qualifiziert sein.[13] Eine Messwinkelabweichung allein führt nicht zu einer Unverwertbarkeit des Messergebnisses, sondern erfordert einen zusätzlichen Toleranzabzug, welcher ggf. durch einen Sachverständigen zu ermitteln ist.[14]

Die Anfertigung der Fotos von Fahrer und Fahrzeug ist anlassbezogen und somit gedeckt von § 100h Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG. Denn eine Aufnahme wird automatisch erst dann ausgelöst, wenn eine vorherige Messung die Überschreitung eines eingestellten Geschwindigkeitsgrenzwertes ergeben hat.[15]

Eine "Betriebserlaubnis" für das Geschwindigkeitsmessgerät ist neben der Zulassung und der Eichung nicht notwendig und existiert demnach auch nicht.[16]

 

Rz. 56

Die intensive Befragung des Messbeamten ist unverzichtbar, nachdem das Verfahren einen aufmerksamen Messbetrieb erfordert. Das Gericht wird auch hier nur den ihm auferlegten Mindestprüfungsumfang abspulen. Daher hat die Verteidigung bereits im Verwaltungsverfahren sämtliche in Rdn 59 aufgelisteten Unterlagen zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen. Sofern sich im Einzelfall das Erfordernis weiterer Informationen auftut, ist deren Herausgabe bei der richtigen Stelle möglichst umgehend zu beantragen und im Zweifel auch juristisch durchzusetzen.

Nach der Systematik zum standardisierten Messverfahren ist das Fehlen und wohl auch die nachträgliche Löschung von Daten erst dann für das Tatgericht relevant, wenn die Verteidigung hierzu konkret vorträgt, inwiefern sich dies auf die jeweilige Messung ausgewirkt hat.[17]

Werden die vollständigen Unterlagen hingegen übermittelt, hat die Verteidigung in Kenntnis dieser – ggf. nach Einholung eines Privatgutachtens – den Messbeamten ausführlich zu befragen. Nachdem bereits Indizien für eine Gewichtsverlagerung im Fahrzeug eine anleitungskonforme Bedienung in Zweifel ziehen können, steigt bei aufgeworfenen Zweifeln der Begründungsaufwand des Gerichts entsprechend an.[18] Die Auswahl des Aufstellortes ist stets näher zu thematisieren, wobei es sich nicht selten lohnt, die Messstelle vorab selbst aufzusuchen oder zumindest den Mandanten zu bitten, diese vorab nochmals zu fotografieren. Das Messprotokoll stellt nicht immer die örtlichen Gegebenheiten zutreffend dar.

Widersprüche im Rahmen der Befragung sind unbedingt ins Verhandlungsprotokoll einzubringen. Es geht nicht darum, dem Gericht eine möglichst angenehme und zeitsparende Verhandlung zu ermöglichen, sondern der Rechtsbeschwerdeinstanz im Zweifel alle wesentlichen Verfahrenspunkte zugänglich und überprüfbar zu machen!

[10] AG Strausberg, Urt. v. 12.8.2008 – 14 OWi 735/07, Rn 7, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 25.5.2010 – III-3 RBs 119/10, Rn 4, juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.4.2016 – IV-1 RBs 83/16, Rn 2, juris; OLG Naumburg, Beschl. v. 3.9.2015 – 2 Ws 174/15, Rn 11, juris = zfs 2016, 231 = DAR 2016, 403; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 25.9.2019 – 1 OWi 2 SsBs 33/19, Rn 5, juris = zfs 2020, 114.
[11] OLG Jena, Beschl. v. 16.5.2006 – 1 Ss 106/06, Rn 9, juris = DAR 2006, 523.
[12] OLG Naumburg, Beschl. v. 3.9.2015 – 2 Ws 174/15, Rn 13 m.w.N., juris = zfs 2016, 231 = DAR 2016, 403.
[13] Vgl. Krenberger, zfs 2016, 232.
[15] AG Kamenz, Beschl. v. 18.12.2009 – 3 OWi 210 Js 13895/09 v, Rn 12, juris = DAR 2010, 101; AG Prenzlau, Urt. v. 31.5.2010 – 21 OWi 383 Js-OWi 41493/09 (504/09), Rn 20, juris = VRS 119, 219 = VA 2010, 191; OLG Hamm, Beschl. v. 25.5.2010 – III-3 RBs 119/10, Rn 9, juris.
[17] Zur ähnlich gelagerten Thematik der Rohmessdaten beim Gerät LEIVTEC XV3: AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn 16, juris; AG St. Ingbert, Urt. v. 29.10.2019 – 25 OWi 66 Js 1919/19 (2968/19), Rn 7, juris.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge