Rz. 46

Den o.g. Arbeitskampfmitteln (Streik und Aussperrung) ist gemeinsam, dass sie grundsätzlich nur von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften initiiert werden können. Die nicht organisierten Arbeitgeber oder Arbeitnehmer können deshalb regelmäßig nur über individualrechtliche Mittel Druck auf die jeweils andere Arbeitsvertragspartei erzeugen. Eine Möglichkeit hierzu ist die so genannte Massenänderungskündigung. Sie setzt sich aus einer Vielzahl ausgesprochener Änderungskündigungen zusammen.

I. Massenänderungskündigung des Arbeitgebers

 

Rz. 47

Arbeitgeber können einer Vielzahl von Arbeitnehmern mit dem Ziel der Veränderung von Arbeitsbedingungen kündigen. Dies führt jedoch – da es sich nicht um eine Arbeitskampfmaßnahme im engeren Sinne handelt – nicht zur Suspendierung der wechselseitigen Hauptleistungspflichten. Wählt ein Arbeitgeber diese Möglichkeit, muss jede einzelne Änderungskündigung rechtswirksam erklärt werden, d.h. im kündigungsgeschützten Arbeitsverhältnis insb. sozial gerechtfertigt sein (§§ 2, 1 KSchG). Da es sich um eine Vielzahl von Kündigungsmaßnahmen handelt, muss ggf. eine Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG (siehe § 4) erfolgen, da die Kündigungen andernfalls scheitern. Zudem ist der Betriebsrat bei jeder einzelnen Änderungskündigung, aus denen sich die Massenänderungskündigung zusammensetzt, nach §§ 102, 103 BetrVG zu beteiligen.

 

Rz. 48

Die Massenänderungskündigung stellt keine Maßnahme i.S.v. § 25 KSchG dar, die von den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes entbunden ist.[48] Dieser Vorschrift, die bereits in das Kündigungsschutzgesetz 1951 aufgenommen und seitdem nicht wieder gestrichen wurde, liegt das überholte Verständnis zugrunde, dass bestreikte Arbeitgeber keine Möglichkeit haben, sich kollektivrechtlich gegen den Arbeitskampf zu wehren und das Arbeitsverhältnis kündigen müssen. Da es dem Arbeitgeber bei rechtmäßigen Streiks nicht möglich ist, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, sollte er von den Voraussetzungen der §§ 1 ff. KSchG befreit sein, um die Kampfparität wieder herzustellen. Auf Grund der Rechtsprechung, dass Arbeitgeber zur Aussperrung berechtigt sind, hat § 25 KSchG keine Bedeutung mehr.

[48] KR/Bader/Kreutzberg-Kowalczyk, § 25 KSchG Rn 19 f.

II. Massenänderungskündigung der Arbeitnehmer

 

Rz. 49

Auch die Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, zusammen eine Vielzahl von Änderungskündigungen (jeder einzelne Mitarbeiter für sich) auszusprechen, um die Konditionen ihrer Arbeitsverträge zu ändern. Dieser Fall wird allerdings praktisch nicht auftreten, da er – sofern der Arbeitgeber das Änderungsangebot ablehnt – zwingend zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt.

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