Rz. 1

Bürger, die nur über geringe finanzielle Mittel verfügen, sollen bei der Durchsetzung ihrer Rechte nicht benachteiligt werden. Der "Reiche" soll sich nicht einen Prozess finanziell leisten können, wogegen der "Arme" aus Kostengründen vor der gerichtlichen Verfolgung seiner Ansprüche zurückschrecken muss. Im Endergebnis hätte sonst der "Reiche" immer recht. Um die Chancengleichheit für die Wahrnehmung der Rechte zu verbessern und um die Kostenbarriere zu beseitigen, übernimmt der Staat für solche "armen" Bürger unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten der Rechtsverfolgung. Dies wird Prozesskostenhilfe genannt. Für außergerichtliche Angelegenheiten gibt es die Beratungshilfe.

I. Die Prozesskostenhilfe (PKH)

 

Rz. 2

Die Prozesskostenhilfe (PKH) ist in den §§ 114 bis 127 ZPO geregelt: Wenn eine Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten eines Prozesses ganz oder zum Teil zu übernehmen, und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig ist, kann ihr auf Antrag Prozesskostenhilfe gewährt werden (§ 114 ZPO).

 

Rz. 3

 

Hinweis:

Für Verfahren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird anstelle von Prozesskostenhilfe Verfahrenskostenhilfe gewährt. Auf das Bewilligungsverfahren für die Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe nach den §§ 114 ff. ZPO entsprechende Anwendung (§§ 76 bis 78 FamFG).

In Ehesachen und Familienstreitsachen wird gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG Prozesskostenhilfe nach den §§ 114 ff. ZPO gewährt, jedoch heißt es auch in diesen Sachen gemäß § 113 Abs. 5 Ziff. 1 FamFG Verfahrenskostenhilfe. Vergleichen Sie auch die Formulierung z. B. in § 149 FamFG. Siehe auch § 11 Rdn 115 f.

 

Rz. 4

Für den Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist das Prozessgericht zuständig (§ 117 ZPO). Damit das Prozessgericht (1) die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers und (2) die Erfolgsaussicht des angestrebten Prozesses prüfen kann, müssen dem Antrag beigefügt werden:

(1) Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und entsprechende Belege (§ 117 Abs. 2 ZPO). Hierzu ist ein amtlicher Vordruck auszufüllen. Als Belege können z. B. eine Verdienstbescheinigung des Arbeitgebers oder der Bescheid über die Höhe des Arbeitslosengeldes dienen.
(2) Eine Darstellung des Streitverhältnisses unter Angabe der Beweismittel (§ 117 Abs. 1 S. 2 ZPO). In der Praxis geschieht dies oft dadurch, dass der RA gleichzeitig mit dem Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe eine Klage- oder Antragsschrift bei dem Prozessgericht einreicht. Da die Klage aber nur dann erhoben werden soll, wenn die Prozesskostenhilfe bewilligt wird, bringt der RA dies z. B. durch folgende Einschränkung zum Ausdruck: "Die Klage wird nur unter der Bedingung erhoben, dass dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt wird."

Der RA sollte aber nicht nur die Bewilligung der PKH beantragen, sondern auch gleichzeitig seine Beiordnung (§ 121 ZPO).

 

Rz. 5

Das Gericht prüft das Vorliegen der Voraussetzungen in einem förmlichen Prüfungsverfahren gemäß § 118 ZPO, welches auch als Bewilligungsverfahren oder als Prozesskostenhilfeverfahren (Verfahrenskostenhilfeverfahren) bezeichnet wird. In diesem Verfahren ist dem Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Gericht kann die Parteien zur mündlichen Erörterung laden, aber nur, wenn eine Einigung zu erwarten ist. Das Gericht kann auch Beweiserhebungen vornehmen; Zeugen und Sachverständige sind aber nur ausnahmsweise zu vernehmen.

Wenn einer Partei vom Prozessgericht PKH bewilligt wurde, ist sie von der Zahlung von Gerichtskosten, der Vergütung für ihren Anwalt und Auslagenvorschüssen für Zeugen und Sachverständige befreit, da diese Kosten von der Staatskasse übernommen werden. Die Partei hat also (zunächst!) keinerlei Kosten zu tragen, auch ihr RA kann seinen Anspruch auf Vergütung ihr gegenüber nicht geltend machen. Ein RA, der trotz Bewilligung von PKH Zahlungen seines Auftraggebers verlangt, verstößt gegen § 122 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO und gegen das anwaltliche Standesrecht.

Wenn der RA einer Partei im Wege der PKH beigeordnet wurde, berechnet er seine Vergütung gegenüber der Staatskasse (siehe Rdn 19 ff.). Hierfür sind besondere Formulare vorgesehen.

 

Rz. 6

Die Bewilligung von PKH bedeutet für die "arme" Partei aber nicht, dass sie den Prozess völlig kostenlos führen kann:

Wenn das nach § 115 ZPO berechnete Nettoeinkommen der Partei einen bestimmten Höchstbetrag überschreitet, muss die Partei die Prozesskosten in monatlichen Raten an die Staatskasse zurückzahlen. Die Raten sind abhängig vom Nettoeinkommen und von der Familiengröße. Die monatlichen Raten sind so lange zu zahlen, bis die Gerichtskosten und die Anwaltsvergütung abgedeckt sind, es sind aber höchstens 48 Monatsraten zu zahlen. Bei der Anwaltsvergütung gibt es als Besonderheit die so genannte "weitere Vergütung" (siehe dazu Rdn 29).
Verliert die "arme" Partei den Prozess, so trägt die Staatsk...

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