1. Bestimmtheitserfordernis des Klageantrags

 

Rz. 389

Um einen bezifferten Klageantrag stellen zu können (§ 253 Abs. 2 S. 2 ZPO), muss der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch exakt bestimmen können. § 2314 BGB gewährt ihm gegen den Erben einen Auskunftsanspruch.[409]

Der Auskunftsanspruch richtet sich auf den

Bestand des Nachlasses (§ 2314 Abs. 1 S. 1 BGB) und den
Wert der Nachlassgegenstände (§ 2314 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB).
[409] Sehr lesenswert: Regenfus, Die "verfrühte" Klage auf Auskunft und Wertermittlung: Materiell-rechtliche und prozesstaktische Überlegungen, ZEV 2020, 8.

a) Kreis der Auskunftsberechtigten

 

Rz. 390

Einen Auskunftsanspruch hat

(1) derjenige, dem ein Pflichtteilsrecht nach §§ 2303, 2309 BGB zusteht und der nicht Erbe geworden ist;[410]
(2) auch der überlebende Ehegatte bzw. Lebenspartner, der nach Ausschlagung der Erbschaft den Pflichtteil verlangen kann (§ 1371 Abs. 3 BGB, § 10 Abs. 6 LPartG);
(3) der Erbe, dessen Erbteil unter der Pflichtteilsquote bleibt und der deshalb den Zusatzpflichtteil gem. § 2305 BGB verlangen und sich nicht selbst die notwendigen Informationen beschaffen kann;[411]
(4) der pflichtteilsberechtigte, aber beschwerte Erbe, der die Erbschaft gem. § 2306 Abs. 1 BGB ausgeschlagen hat und deshalb nicht Erbe geworden ist;[412]
(5) der Pflichtteilsberechtigte, der lediglich ein Vermächtnis zugewandt bekommen hat, gem. § 2307 BGB ein Wahlrecht hat und den Pflichtteil verlangen kann;[413]
(6) der Zessionar, dem der Pflichtteilsanspruch abgetreten wurde;
(7) der Erbe des Pflichtteilsberechtigten, an den sich der Pflichtteilsanspruch vererbt hat (§ 2317 Abs. 2 BGB);[414]
(8)

der pflichtteilsberechtigte Miterbe wegen Schenkungen, die zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen (§§ 2325, 2326 BGB) führen können, aber nach Rspr. und h.M. nicht auf der Rechtsgrundlage von § 2314 BGB, sondern nach allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB).[415]

Aus besonderem Grund wendet die Rspr. hier nicht § 2314 BGB analog an, sondern stützt den Auskunftsanspruch auf § 242 BGB:

Die Anspruchsvoraussetzungen für § 242 BGB sind höher als für § 2314 BGB; bei Letzterem genügt die Eigenschaft als Pflichtteilsberechtigter.
Es besteht kein Anspruch auf amtliche Aufnahme des Verzeichnisses.
Es besteht kein Recht des Auskunftsgläubigers auf Zuziehung bei der Aufnahme des Verzeichnisses.
Nicht der Nachlass trägt die Kosten der Aufnahme des Verzeichnisses, sondern der Auskunftsgläubiger.
[411] OLG Düsseldorf FamRZ 2006, 512; a.A. OLG Celle ZEV 2006, 557 m. abl. Anm. Damrau = FamRZ 2006, 1877.
[412] OLG Naumburg ZEV 2015, 114; OLG Schleswig ZEV 2015, 109; MüKo/Lange, § 2314 BGB Rn 34.
[413] RGZ 129, 239, 241.
[414] MüKo/Lange, § 2314 BGB Rn 37.
[415] BGHZ 61, 180, 184 = NJW 1973, 1876, 1877; BGH NJW 1981, 2051, 2052; BGHZ 108, 393, 395 = NJW 1990, 180; BGH NJW 1993, 2737; OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 410, 412; OLG München FamRZ 2009, 1010.

b) Feststellung der Pflichtteilsberechtigung

 

Rz. 391

Der Pflichtteilsberechtigte ist in folgenden Konstellationen nicht forderungsberechtigt:

Vorliegen eines Pflichtteilsverzichts (§ 2346 Abs. 2 BGB); die Wirksamkeit ist stets zu überprüfen: Ist der Verzicht anfechtbar (§§ 119 ff. BGB) oder gem. § 1338 BGB sittenwidrig?[416] Hat der Erblasser sich vertreten lassen, so dass der Verzicht unwirksam ist (§ 2347 Abs. 1 BGB)?
Liegen Gründe für eine Pflichtteilsunwürdigkeit vor (§§ 2345 Abs. 2, 2339 BGB)?
Ist der Pflichtteil letztwillig entzogen worden (§§ 2333 ff. BGB)?
Hat der Pflichtteilsberechtigte seit dem Todestag Sozialleistungen nach SGB II oder SGB XII erhalten?[417]
Besteht ein Insolvenz- oder Restschuldbefreiungsverfahren?
Nicht forderungsberechtigt ist ein Pflichtteilsberechtigter, der einen nicht beschwerten bzw. einen nicht beschränkten Erbteil ausgeschlagen hat (vorbehaltlich § 1371 Abs. 3 BGB).
Ein vorzeitiger Erbausgleich eines nichtehelichen Kindes lässt seinen Pflichtteilsanspruch entfallen (§ 1934e BGB a.F.).
[416] Horn, ZEV 2010, 295.
[417] Doering-Striening/Horn, NJW 2013, 1276.

c) Kreis der Auskunftsverpflichteten

 

Rz. 392

Adressat des Auskunftsanspruchs ist der Alleinerbe. Sind mehrere Erben vorhanden, so haftet jeder Miterbe.

Bei bestehender Testamentsvollstreckung richten sich sowohl der Auskunftsanspruch als auch der Pflichtteilsanspruch nicht etwa gegen den Testamentsvollstrecker, sondern gegen den/die Erben (§ 2213 Abs. 1 S. 3 BGB).

Der Testamentsvollstrecker hat den Erben jedoch bei der Erstellung des Verzeichnisses zu unterstützen, weil er Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den Nachlass hat (§ 2205 BGB).[418] Aus dieser Legitimation des Testamentsvollstreckers heraus hat der Erbe gegen den Testamentsvollstrecker einen Auskunftsanspruch über den Bestand des Nachlasses gem. § 2215 BGB (= Konstituierung des Nachlasses). Der Erbe kann jedoch praktischerweise als Erstes auf das ihm vom Testamentsvollstrecker vorgelegte Nachlassverzeichnis (§ 2215 BGB) zurückgreifen.[419]

Der Erblasser kann den Testamentsvollstrecker aber abweichend von § 2213 Abs. 1 S. 3 BGB ermächtigen, dass er auch für Pflichtteilsansprüche passiv legitimiert ist (str.).[420] Auf jeden Fall k...

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