Rz. 453

Den Nachlassgläubigern gegenüber besteht nach § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB eine unverzügliche Insolvenzantragspflicht, wenn der Erbe Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung erlangt.[443] Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung steht die auf Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis gleich, § 1980 Abs. 2 S. 1 BGB. Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Erbe das Aufgebot der Nachlassgläubiger nicht beantragt, obwohl er Grund hat, das Vorhandensein unbekannter Nachlassverbindlichkeiten anzunehmen. Mehrere Erben haften als Gesamtschuldner. Im Rahmen der Schadensersatzpflicht aus § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB ist dem Erben die schuldhaft verspätete Stellung des Insolvenzantrags durch den Nachlasspfleger nicht gem. §§ 166 Abs. 1, 278 BGB zuzurechnen.[444]

 

Rz. 454

Bei der Ermittlung der Überschuldung sind neben den Masseverbindlichkeiten nach § 334 InsO alle in §§ 325 ff. InsO genannten Verbindlichkeiten, also auch Vermächtnisse, Auflagen und Pflichtteilsansprüche, zu berücksichtigen. Hat der Erbe vor der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens aus dem Nachlass Pflichtteilsansprüche, Vermächtnisse oder Auflagen erfüllt, so sind diese Rechtshandlungen in gleicher Weise insolvenzrechtlich anfechtbar wie eine unentgeltliche Leistung des Erben (§ 322 InsO), da die Begünstigten zu den nachrangigen Insolvenzgläubigern gehören (§ 327 InsO) und nicht besser gestellt werden sollen als der Erbe selbst, § 327 InsO. Nach erfolgter Anfechtung kann der Nachlassinsolvenzverwalter den Vermächtnisbetrag gem. §§ 134, 143 InsO nach Bereicherungsrecht zur Nachlassmasse als Insolvenzmasse zurückholen.

 

Rz. 455

Ob für das Insolvenzeröffnungsverfahren Prozesskostenhilfe gewährt werden kann, ist streitig.[445] Im Hinblick auf die Möglichkeit des § 1990 BGB besteht hierfür kein Bedürfnis, so dass der ablehnenden Auffassung (die sich insbesondere auf die fehlenden Voraussetzungen des § 4a InsO beruft) der Vorzug zu geben ist.

Im Prozesskostenhilfeverfahren ist in der Insolvenzsache eine weitere Beschwerde nicht statthaft.[446]

[443] Der Erbe ist nach Annahme der Erbschaft trotz eines schwebenden Erbprätendentenstreits und deswegen angeordneter Nachlasspflegschaft aus § 1980 Abs. 1 BGB verpflichtet, Insolvenzantrag zu stellen, BGH, Urt. v. 8.12.2004 – IV ZR 199/03, BGHZ 161, 281 = FamRZ 2005, 446 = NJW 2005, 756 = ZEV 2005, 109.
[444] BGH, Urt. v. 8.12.2004 – IV ZR 199/03, BGHZ 161, 281 = FamRZ 2005, 446 = NJW 2005, 756 = ZEV 2005, 109.
[445] Bejahend: AG München NJW 1999, 432 m.w.N. LG Fulda, BeckRS 2007, 06564; LG Göttingen ZInsO 2000, 619 f.; verneinend: LG Kassel NZI 2014, 697 = ErbR 2014, 505 = FamRZ 2014, 2015; AG Hildesheim LSK 2005, 150533; AG Hildesheim JurionRS 20014, 34289; AG Mannheim "Die Justiz" Ba.-Wü. 1999, 169 m.w.N.; verneinend in einem obiter BGH NJW 2000, 1869.
[446] BGH NJW 2000, 1869; OLG Köln NJW-RR 2000, 128.

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