A. Richtige Weichenstellung

 

Rz. 1

Macht ein Nachlassgläubiger außergerichtlich eine Nachlassforderung gegenüber dem Mandanten als Erben geltend, so gilt es, richtig zu reagieren. Dabei macht das Gesetz es dem Erben schwierig, gehen doch sämtliche Normen zur Erbenhaftung vom streitigen und damit gerichtlich ausgetragenen Fall aus. Es gilt also, die darin zugrundeliegenden Rechtsgedanken auf die außergerichtliche Handhabung zu übertragen.

Dabei ist zwischen vorübergehenden und endgültigen Einreden gegenüber allen bzw. bestimmten Gläubigern zu unterscheiden (siehe auch schon den Überblick oben § 4 Rdn 21 ff.):

B. Vorübergehende Einreden

I. Bis zur Annahme der Erbschaft

1. Ungefährliche Bedenkzeit

 

Rz. 2

Die Ausschlagungsfrist gewährt dem Erben eine ungefährliche Bedenkzeit, ob er den Übergang des Vermögens des Erblassers mit der Übernahme der Haftung und der Verwaltung will. Tritt schon während dieser Bedenkzeit ein Gläubiger an ihn heran, so braucht es keinen wilden Aktionismus. Dieser ist weder im Sinne einer sofortigen Ausschlagung noch im Sinne einer sofortigen Erfüllung einer jeglichen Forderung angeraten. Vielmehr kann und sollte der vorläufige Erbe den Gläubiger schlicht auf § 1958 BGB und darauf verweisen, sich zu gedulden!

 

Hinweis

Eine vorschnelle Erfüllung könnte sogar als Annahme der Erbschaft gewertet werden; eine vorschnelle Ausschlagung später bereut werden (siehe oben § 3).

 

Rz. 3

Zwar ist der Erbe wegen des Von-selbst-Erwerbs und wegen § 1967 BGB schon vor der Annahme materiell-rechtlich passiv legitimiert. Diese entfällt aber rückwirkend, sobald er ausschlägt. Daher garantiert § 1958 BGB, dass er nicht gerichtlich in Anspruch genommen werden kann. Klagen gegen ihn während des Laufs der Ausschlagungsfrist sind nach § 1958 BGB unzulässig.

 

Hinweis

Klagen gegen einen Testamentsvollstrecker oder einen Nachlasspfleger sind aber möglich.

 

Rz. 4

Während noch das Reichsgericht aus § 1958 BGB auch ein materielles Leistungsverweigerungsrecht heraus abgeleitet hat,[1] beschränkt sich nach heute h.M. die Bedeutung der Norm auf den prozessualen Bereich.[2] Außergerichtlich kann die Forderung geltend gemacht oder gemahnt werden; auch eine Aufrechnung oder ein Rücktritt sowie die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes gegenüber dem vorläufigen Erben sind möglich.[3]

 

Hinweis

Eine gegenüber dem vorläufigen Erben erfolgte Mahnung besteht ihm selbst und auch dem nach § 1953 BGB an seine Stelle tretenden Erben gegenüber fort, § 1959 Abs. 3 BGB.[4] Der Gläubiger muss also nicht erneut mahnen. Vielmehr muss der endgültige Erbe nach der Annahme der Erbschaft (sei es auch nur über die Fiktion des § 1943 a.E. BGB) sicherstellen, dass er – nach Prüfung, ob der Nachlass werthaltig ist, und ggf. Berufen auf §§ 2014 f. BGB, § 782 S. 2 ZPO –"sofort" leistet, um die negativen Folgen eines Verzugseintritts zu verhindern. Ansonsten kann er für die Folgen des Verzugs auch trotz einer später erfolgten endgültigen Haftungsbeschränkungsmaßnahme persönlich aus § 1978 BGB in Anspruch genommen werden, da er den Nachlass nicht im Sinne der Gläubiger verwaltet hat.

 

Rz. 5

Auf Mahnung und Nichtleistung hin oder im Falle des Verzugseintritts ohne Mahnung (insbesondere § 286 Abs. 2 BGB),[5] kommt sodann aber allenfalls der Nachlass, nicht aber der vorläufige Erbe in Verzug,[6] da er während der Überlegungsfrist nicht gehalten ist, sich um den Nachlass zu kümmern (siehe oben § 3 Rdn 4). Ferner fehlt das für den Eintritt der Verzugsfolgen erforderliche Vertretenmüssen (§ 286 Abs. 4 BGB), wenn der Erbe z.B. wegen fehlenden Erbscheins o.Ä. noch nicht über den Nachlass verfügen kann.[7] Deshalb ist m.E. auch zumindest in diesem Fall fraglich, ob der Nachlass in Verzug kommen kann. Verneint man dies, so darf auch ein Gläubiger (z.B. eine Bank) keine Sicherheit ziehen (z.B. eine Sicherungsgrundschuld), die gemäß der Abrede im Innenverhältnis nur für den Fall des Verzugs gezogen werden darf.

 

Hinweis

Befand sich schon der Erblasser im Verzug, so wirkt dies hingegen fort.

[1] RGZ 79, 201, 203; RGZ 60, 179.
[2] Staudinger/Marotzke, § 1958 BGB Rn 1, 3.
[3] BeckOGK/Heinemann, § 1958 BGB Rn 41.
[4] MüKo/Leipold, § 1958 BGB Rn 17.
[5] Strittig, siehe etwa MüKo/Leipold, § 1958 BGB Rn 18, gegen Muscheler, ErbR II, Rn 3088.
[6] Insoweit besteht weitgehend Einigkeit, dass die Folgen des Verzugs nicht den Erben persönlich treffen, sondern die ggf. eintretende Haftung auf den Nachlass beschränkt ist; die Begründung ist im Einzelnen unterschiedlich, siehe etwa MüKo/Leipold, § 1958 BGB Rn 18.
[7] Insoweit richtig: BeckOGK/Heinemann, § 1958 BGB Rn 45.

2. Verjährungshemmung

 

Rz. 6

Zum Schutz der Gläubiger, die durch § 1958 BGB faktisch an der Geltendmachung der Ansprüche gehindert sind, ist die Verjährung gemäß § 211 BGB gehemmt. Die Hemmung beginnt grundsätzlich mit der Annahme der Erbschaft, bei vorheriger Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens oder Bestellung eines Testamentsvollstreckers, Nachlassverwalters oder Nachlasspflegers mit diesem Zeitpunkt oder mit Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens. Sie dauert sechs Monate.

Von § 211 BGB erfasst sind auch Erblasserschulden oder Erbfallschulden, die nach dem...

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