Rz. 19

Neben dem Anspruch auf Auskunft über die im Erbfall tatsächlich im Nachlass vorhandenen Aktiva und Passiva steht dem pflichtteilsberechtigten Nichterben darüber hinaus auch ein Anspruch auf Auskunft bezüglich aller seitens des Erblassers erfolgten anrechnungs- und ausgleichungspflichtigen Zuwendungen i.S.d. §§ 2315, 2316, 2052, 2055 BGB sowie wegen pflichtteilsergänzungspflichtigen Schenkungen i.S.d. § 2325 BGB zu.[29] Der Umfang der Auskunft erstreckt sich dabei auf die Person des Zuwendungsempfängers und bei Verträgen zugunsten Dritter auch auf das Zuwendungsverhältnis.[30]

 

Rz. 20

Ausgleichungspflichtige Zuwendungen des Erblassers im Rahmen der §§ 2316, 2052, 2055 BGB finden auch über einen Zehn-Jahres-Zeitraum hinweg Berücksichtigung. Bei Schenkungen an Ehegatten gem. § 2325 Abs. 3 BGB bzw. bei Schenkungen ohne "wirtschaftliche Ausgliederung" des Geschenks aus dem Vermögen des Erblassers, also bei Schenkungen ohne Genussverzicht,[31] unterliegt der Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht der zehnjährigen Frist des § 2325 Abs. 3 BGB. Die Auskunftserteilung muss daher auch hier über diesen Zeitraum hinweg erfolgen.

 

Rz. 21

Der Wert der Schenkung findet für die Frage der Auskunftsverpflichtung keine Beachtung. Der Pflichtteilsberechtigte soll selbst über den Charakter einer Schenkung befinden können.[32] Bislang war unstreitig, dass sich die Auskunftspflicht daher auch auf Anstands- und Pflichtschenkungen i.S.d. § 2330 BGB erstreckt.[33] Überraschend urteilt der BGH mit Urt. v. 13.4.2011 – IV ZR 204/09 wie folgt:[34] "… der Beklagte wird in Abweisung des Auskunftsantrags im Übrigen verurteilt dem Kläger ... Auskunft … über alle dem Beklagten bekannten unentgeltlichen Zuwendungen der Erblasserin zu erteilen, soweit diese über die in der Familie üblichen Anstandsschenkungen hinausgingen …". Zur Begründung wird lediglich ausgeführt, dass die Auskunftsverpflichtung über Schenkungen nur nach § 2325 BGB Ergänzungspflichtige betrifft.

 

Rz. 22

Der Pflichtteilsberechtigte hat im Weiteren auf Verlangen auch Auskunft über solche ungeklärten und streitigen Veräußerungen zu erteilen, bei denen Umstände die Annahme nahe legen, es handele sich wenigstens zum Teil um eine Schenkung. Nicht nur als Schenkung bezeichnete Zuwendungen, sondern auch unbenannte Zuwendungen oder Leistungen in Vollzug von als entgeltlich bezeichneten Austauschverträgen sind mitzuteilen.[35] Die Auskunftspflicht muss sich auf alle Vertragsbedingungen erstrecken, deren Kenntnis wesentlich für die Beurteilung ist, ob und in welcher Höhe ein Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend gemacht werden kann.[36] Der Auskunftspflichtige hat hier das betreffende Vertragsregelwerk und/oder – wenn der Vorgang aus den Geschäftsbüchern hervorgeht – diese vorzulegen, damit der Pflichtteilsberechtigte Leistung und Gegenleistung ersehen kann. Die Auskunft muss so beschaffen sein, dass dem Berechtigten die Nachprüfung der Angaben möglich ist. Daher muss der Auskunftspflichtige insbesondere auch den Namen des Empfängers der fraglichen Leistung benennen sowie das zugrunde liegende Rechtsverhältnis bezeichnen und bei gemischten Schenkungen auch den Wert der ausgetauschten Leistungen.[37]

 

Rz. 23

Der Auskunftsanspruch darf jedoch nicht zu einer Verdachtsausforschung führen.[38] Eine Auskunftspflicht besteht daher nur, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Erblasser in der Zeit vor seinem Tod Guthaben an Dritte verschenkt hat, oder aber Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Vermögen früher vorhanden gewesen ist.[39] Anhaltspunkte für eine Schenkung können beispielsweise dann vorliegen, wenn

der Erblasser vor seinem Tod Guthaben oder Vermögensgegenstände an Dritte weggegeben hat, auch wenn die Höhe der Gegenleistung noch unklar ist;[40]
größeres Vermögen unstreitig vor dem Erbfall, nicht aber im Zeitpunkt des Erbfalls vorhanden war und zwischen dem Pflichtteilsberechtigten und dem Erblasser über mehrere Jahre eine erhebliche Feindschaft bestand und der Erblasser pflichtteilsverkürzende lebzeitige Zuwendung plante;[41]
der Erblasser dem überlebenden Ehegatten zahlreiche andere bedeutende Schenkungen gemacht hat oder die finanziellen Verhältnisse der Ehepartner aufgrund zahlreicher Transaktionen schwer durchschaubar sind;[42]
der Erblasser gemeinsam mit dem überlebenden Ehegatten Immobilien erworben hat. In diesen Fällen hat der Auskunftspflichtige die Transaktionen aufzudecken und entsprechende Unterlagen vorzulegen.[43]
[29] BGHZ 33, 373 f.; BGHZ 55, 378, 380.
[30] OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 917, 918 = ZEV 2000, 280.
[31] Vgl. BGHZ 98, 226, 233; BGHZ 125, 395, 398 f.
[32] BGH NJW 1962, 245, 246; BGHZ 89, 24, 27.
[33] BGH NJW 1962, 245.
[34] ZEV 2011, 366, Volltext unter www.bundesgerichtshof.de.
[35] BGHZ 74, 379; BGH NJW 1962, 245; OLG Düsseldorf FamRZ 1999, 1546.
[36] BGHZ 55, 378; Palandt/Weidlich, § 2314 Rn 9.
[37] OLG Karlsruhe ZEV 2000, 280; OLG Düsseldorf FamRZ 1999, 1546; Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 17.
[39] Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 25 f.; vg...

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