Rz. 9

Insbesondere beim Indirect Crowdwork ist ein Arbeitsverhältnis mit dem Plattformbetreiber in Betracht zu ziehen. Agiert die Plattform als "reiner" Vermittler, wird ein Arbeitsverhältnis mit dem Plattformbetreiber in der Regel abzulehnen sein. In diesen Fällen lehnt das BAG, unabhängig von den über die Plattform erzielten Einnahmen des Crowdworkers, auch eine Einordnung als arbeitnehmerähnliche Person ab, da die bloße Gewährung einer Verdienstmöglichkeit selbst keine wirtschaftliche Abhängigkeit begründen kann (BAG v. 21.2.2007 – 5 AZB 52/06, BAGE 121, 304). Anders kann der Status des Beschäftigten aber zu beurteilen sein, wenn die Plattform, wie in der Praxis vermehrt der Fall, selbst als zentraler Akteur fungiert, indem sie enge Vorgaben für die zu erbringende Tätigkeit macht (z.B. Vorgabe zum Stundenlohn, zum zeitlichen und inhaltlichen Tätigkeitsumfang) und diese auch kontrolliert. Allein die Vorwegnahme gewisser Konditionen der zu erbringenden Tätigkeit durch die Plattform ist jedoch für sich genommen kein ausreichendes Indiz für eine Arbeitgebereigenschaft. Hinzukommen müssen weitere Vorgaben oder Kontrollmaßnahmen, die auf eine Steuerung der Tätigkeit durch den Plattformbetreiber hinweisen (so wohl auch Däubler/Klebe, NZA 2015, 1032, 1035).

 

Rz. 10

Eine persönliche Abhängigkeit kann sich ergeben, wenn der Plattformbetreiber durch die Nutzung von (digitalen) Kontrollmechanismen (z.B. Protokollierung von Arbeitsabläufen, Bestimmung des Informationsflusses zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber, Überwachung der Aufträge) auf die Tätigkeit Einfluss nimmt (Krause, DJT 2016, B 104). Selbst wenn die freie Entscheidung der Annahme oder der Ablehnung von Aufträgen, wie sie dem Auftragnehmer bei den meisten (auch bei verbraucherbezogenen) Plattformen zusteht, sich zu einem wirtschaftlichen Zwang der Annahme entwickelt, können hieraus keine Schlüsse auf eine persönliche Abhängigkeit, sondern höchstens auf eine wirtschaftliche Abhängigkeit gezogen werden (s. BAG v. 14.6.2016 – 9 AZR 305/15, NZA 2016, 1453).

Im Jahr 2020 hat sich auch das BAG zur Arbeitnehmereigenschaft von Crowdworkern geäußert. Das Gericht entschied, dass die tatsächliche Durchführung von Kleinstaufträgen ("Mikrojobs") durch den Nutzer einer Online-Plattform ("Crowdworker") auf der Grundlage einer mit deren Betreiber ("Crowdsourcer") getroffenen Vereinbarung im Rahmen der nach § 611a Abs. 1 S. 5 BGB gebotenen Gesamtbetrachtung ergeben kann, dass die rechtliche Beziehung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Von Bedeutung für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ist nach Auffassung des BAG in diesem Zusammenhang insbesondere, dass der Crowdworker zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet ist, die geschuldete Tätigkeit ihrer Eigenheit nach einfach gelagert und ihre Durchführungen inhaltlich vorgegeben ist sowie dass die Auftragsvergabe durch die konkrete Nutzung der Online-Plattform im Sinne eines Fremdbestimmens durch den Crowdsourcer gelenkt wird (BAG v. 1.12.2020 – 9 AZR 102/20, NZA 2021, 552 Rn 44 ff).

Das BAG hat somit die bisher ungeklärte Frage, ob bereits durch die Einrichtung von Bewertungs-, Rating- und Feedback-Systemen, durch die dem Plattformbetreiber eine mittelbare Kontrolle des Arbeitsergebnisses ermöglicht wird, eine Fremdbestimmung begründet werden kann (so noch offen Kocher/Hensel, NZA 2016, 984, 986), bejaht. Im konkreten Einzelfall war für das Gericht neben der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung sowie der Limitierung der Auftragsbearbeitung auf jeweils zwei Stunden ausschlaggebend, dass der Plattformbetreiber ein Anreizsystem geschaffen hatte, welches die Nutzer veranlasste, in dem Bezirk ihres gewöhnlichen Aufenthalts kontinuierlich Kontrolltätigkeiten auszuführen, wenn sie im Ratingsystem aufsteigen wollten (motivationspsychologische Spieltriebargument, kritisch dazu Fuhlrott/Bodendieck, ArbRAktuell 2020, 639). Unerheblich für die Qualifizierung als fremdbestimmte Tätigkeit sollte dem BAG zufolge die Tatsache sein, dass der Auftragnehmer aufgrund der Basisvereinbarung vertraglich nicht zur Annahme von Angeboten verpflichtet war. Die langfristige und kontinuierliche Beschäftigung des Klägers habe zu einer Verklammerung der einzelnen Aufträge zu einem einheitlichen (unbefristeten) Arbeitsverhältnis geführt (BAG v. 1.12.2020 – 9 AZR 102/20, NZA 2021, 552 Rn 52). Das erscheint nicht unproblematisch, da es für die Plattformen Anreize schafft, Crowdworker nur vereinzelt einzusetzen, sodass gleichzeitig die Einnahmemöglichkeiten der Crowdworker geschwächt werden.

Davon unabhängig darf das Urteil nicht als allgemeingültige Einordnung von Crowdworkern, die Mikrojobs erledigen, verstanden werden. Im Bereich des Clickwork/der Vergabe von Mikrojobs wird die Praxis aber trotz berechtigter Kritik an der Begründung des einheitlichen Arbeitsverhältnisses und der Fremdbestimmung durch Lenkung ein größeres Augenmerk auf die Begründung eines persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses zum Plattformbetreiber aufgrund vo...

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