Der Aktualität halber sei "Crowdworking" hier kurz erwähnt. Dabei handelt es sich um eine digitale Form des Outsourcing. Unternehmen schreiben einzelne Projekte oder kleine Arbeitsaufgaben über webbasierte Plattformen aus. Registrierte User haben die Möglichkeit, ihre Arbeitskraft und ihre Fähigkeiten weltweit anzubieten und die ausgeschriebenen Arbeitsaufgaben ortsunabhängig abzuarbeiten. Unternehmen können personelle Engpässe in den eigenen Reihen auffangen, flexibel auf Auftragsspitzen reagieren und von der "Intelligenz der Masse" profitieren. Crowdworking ist somit eine moderne Form von Drittpersonaleinsatz, die sich der modernen Kommunikationsmittel bedient.

Nach einer Expertise im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), die im Rahmen der alle 2 Jahre stattfindenden ZEW-Konjunkturumfrage Informationswirtschaft erstellt wurde, ist in den befragten Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes und in der Informationswirtschaft die Vergabe von Aufträgen an Crowdworker ein mittlerweile weit bekanntes Konzept (bekannt bei rund 72 % der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe und rund 84 % der Unternehmen in der Informationswirtschaft).[1] Nach Schätzungen liegt der Anteil der aktiven Crowdworker an der wahlberechtigten deutschen Bevölkerung bei bis zu 4,8 %.[2]

Die rechtliche Einordnung von Crowdworking ist bislang noch wenig behandelt.[3] Insbesondere gibt es keine gesetzliche Vorgabe, ob Crowdworking als selbstständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung im Angestelltenverhältnis einzuordnen ist. Erste Urteile der Landesarbeitsgerichte und des BAG helfen bei der Bestimmung der rechtlichen Rahmenbedingungen von Crowdworking weiter.

Ist streitig, ob ein über eine Internetplattform vermittelter Auftragnehmer in Wirklichkeit ein Arbeitnehmer war, sind die allgemeinen Abgrenzungskriterien, insbesondere aus § 611a Abs. 1 BGB, heranzuziehen. Dabei spricht es tendenziell gegen die Arbeitnehmereigenschaft, wenn die geschäftliche Beziehung nur wenige Tage andauern sollte und eine Eingliederung in den Geschäftsbetrieb des Auftraggebers nicht stattgefunden hat.[4]

Die tatsächliche Durchführung von Kleinstaufträgen ("Mikrojobs") durch Nutzer einer Online-Plattform ("Crowdworker") auf der Grundlage einer mit deren Betreiber ("Croudsourcer") getroffenen Rahmenvereinbarung kann im Rahmen der nach § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB gebotenen Gesamtbetrachtung ergeben, dass die rechtliche Beziehung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Dazu muss der Crowdworker zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet sein, die geschuldete Tätigkeit ihrer Eigenart nach einfach gelagert und ihre Durchführung inhaltlich vorgegeben sein sowie die Auftragsvergabe und die konkrete Nutzung der Online-Plattform im Sinne eines Fremdbestimmens durch den Crowdsourcer gelenkt werden.[5] Im entschiedenen Fall führt die Beklagte u. a. für Markenhersteller Kontrollen der Warenpräsentation im Einzelhandel oder in Tankstellen durch. Die Kontrolltätigkeiten selbst lässt sie durch Crowdworker ausführen. Deren Aufgabe besteht insbesondere darin, Fotos von der Warenpräsentation anzufertigen und Fragen zur Werbung von Produkten zu beantworten. Auf der Grundlage einer "Basis-Vereinbarung" und allgemeiner Geschäftsbedingungen bietet die Beklagte die "Mikrojobs" über eine Online-Plattform an. Über einen persönlich eingerichteten Account kann jeder Nutzer der Online-Plattform auf bestimmte Verkaufsstellen bezogene Aufträge annehmen, ohne dazu vertraglich verpflichtet zu sein. Übernimmt der Crowdworker einen Auftrag, muss er diesen regelmäßig binnen zwei Stunden nach detaillierten Vorgaben des Crowdsourcers erledigen. Für erledigte Aufträge werden ihm auf seinem Nutzerkonto Erfahrungspunkte gutgeschrieben. Das System erhöht mit der Anzahl erledigter Aufträge das Level und gestattet die gleichzeitige Annahme mehrerer Aufträge.

Nach den Ausführungen des BAG hängt die Arbeitnehmereigenschaft nach § 611a BGB davon ab, dass der Beschäftigte weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit leistet. Zeigt die tatsächliche Durchführung eines Vertragsverhältnisses, dass es sich hierbei um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. Die dazu vom Gesetz verlangte Gesamtwürdigung aller Umstände kann ergeben, dass Crowdworker als Arbeitnehmer anzusehen sind.[6] Für ein Arbeitsverhältnis spricht es, wenn der Auftraggeber die Zusammenarbeit über die von ihm betriebene Online-Plattform so steuert, dass der Auftragnehmer infolge dessen seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt nicht frei gestalten kann. So liegt der entschiedene Fall. Der Kläger leistete in arbeitnehmertypischer Weise weisungsgebundene und fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit. Zwar war er vertraglich nicht zur Annahme von Angeboten der Beklagten verpflichtet. Die Organisationsstruktur der von der Beklagten betriebenen Online-Plattform war aber darauf ausgerichtet, dass über einen Account angemeldete und eingearbeitete Nutzer kont...

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