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Ein gesetzlicher Anspruch auf "Home Office" (Telearbeit/Mobile Arbeit), wie beispielsweise in den Niederlanden (seit 2016 hat hier der Arbeitnehmer zumindest einen Verhandlungsanspruch), besteht in Deutschland nicht. Pläne, einen rechtlichen Rahmen für die Mobile Arbeit nebst Rechtsanspruch zu kodifizieren, konnten sich in der 19. Legislaturperiode nicht durchsetzen (s. Koalitionsvertrag CDU, CSU und SPD 2018–2021, S. 41 f., Referentenentwurf eines Gesetzes zur Mobilen Arbeit v. 26.11.2020 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales).

Stattdessen kam es durch die notwendigen pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen zu einer Pflicht der Arbeit von Zuhause. Schon zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 empfahl der Arbeitsschutzstandard des BMAS, Büroarbeit "nach Möglichkeit im Homeoffice auszuführen". Im Januar 2021 wurde dann zunächst eine Pflicht des Arbeitgebers eingeführt, den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen, anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen (§ 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV). Schließlich wurde zum 23.4.2021 befristet bis zum 30.6.2021 eine beidseitige Pflicht in § 28b Abs. 7 IfSG eingeführt, nach der nicht nur der Arbeitgeber Home Office in den genannten Fällen anbieten muss, sondern auch die Beschäftigten dieses Angebot annehmen müssen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. Die Regelung war stark umstritten, weil sie anders als die weiteren bundeseinheitlichen Schutzmaßnahmen des § 28b Abs. 1 IfSG nicht an eine bestimmte Sieben-Tages-Inzidenz gekoppelt wurde. Auch gab es keine Ausnahmen für negativ Getestete, Geimpfte und Genesene.

Die Arbeit außerhalb der Betriebsstätte kann, sofern keine epidemische Lage von nationaler Tragweite vorliegt, weiterhin grds. nur in Absprache mit dem Arbeitgeber erfolgen. Auch die in vielen Unternehmen bereits geschlossenen Betriebsvereinbarungen geben regelmäßig keinen individuellen Rechtsanspruch, sondern regeln die Rahmenbedingungen für individuelle Vereinbarungen. Ein Rechtsanspruch kann sich in Ausnahmefällen in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben, soweit allen anderen vergleichbaren Arbeitnehmern die Arbeit von zu Hause gewährt wird (vgl. LAG München v. 21.5.2015 3 Sa 68/15; LAG Köln v. 22.6.1994 – 2 Sa 1087/93). Die Vorteile der freien Wahl des Arbeitsortes für den Arbeitnehmer liegen auf der Hand. Der Arbeitsweg entfällt und es wird gleichzeitig die Möglichkeit geschaffen, im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Arbeitszeit (dazu § 80 Rdn 2 ff.) das Arbeitszeitvolumen frei aufzuteilen. Dabei muss der Arbeitnehmer ein hohes Maß an Selbstmanagement, der Arbeitgeber ein hohes Maß an Vertrauen aufbringen. Nicht nur familiäre Verpflichtungen (74 %), sondern auch der Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit der Arbeit mit Freizeitinteressen (Work-Life-Balance, 64 %) wurden von Arbeitnehmerseite bereits 2015 als Gründe für den Wunsch nach "Home Office" angegeben (BMAS, Mobiles und entgrenztes Arbeiten, 2015, S. 17). Eine Umfrage aus dem Jahr 2020 ergab, dass 80 % der Beschäftigten im Home Office weniger Stress empfinden, da der Arbeitsweg entfällt. 76 % der Beschäftigten sehen den damit verbundenen Zeitgewinn positiv und 59 % bejahen eine generell bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Weitere Vorteile sind mehr zeitliche Flexibilität (43 %), die Möglichkeit eines gesundheitsbewussteren Lebensstils, etwa in Hinblick auf Sport und Ernährung (32 %), und weniger Störungen durch Kollegen (28 %) (Bitkom v. 8.12.2020). Zahlreiche andere Studien ergeben allerdings auch hierzu gegenläufige Ergebnisse, die die Nachteile der Arbeit von Zuhause wie Arbeitsverdichtung, fehlende Abschaltmöglichkeit in der Freizeit in den Fokus rücken (hierzu u.a. BMAS Forschungsbericht 549, Verbreitung und Auswirkungen von mobiler Arbeit und Homeoffice, 2020.

Neben der gesetzlichen Begründung eines Anspruchs wird insbesondere seit der Corona-Pandemie auch diskutiert, inwiefern die Arbeit von Zuhause einseitig seitens des Arbeitgebers im Wege seines Weisungsrechts angeordnet werden kann. Soweit keine öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzgründe greifen, sind die Interessen der Arbeitsvertragsparteien abzuwägen, wobei auf Seiten der Arbeitnehmer das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) zu berücksichtigen ist. Sofern keine vertraglichen Abmachungen bestehen und bisher auch keine Arbeit von Zuhause geleistet wurde, spricht viel dafür, dass der Arbeitgeber grds. nicht einseitig die (dauerhafte) Arbeit von Zuhause anordnen kann (ErfK/Preis, § 106 GewO Rn 28 a.; Schaub/Vogelsang, ArbR-HdB, 18. Aufl. 2019, § 164 Rn 26.) Die auch diskutierte Überlegung, ob Home Office als anderweitige zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit als milderes Mittel zur Kündigung in Betracht gezogen werden muss, erscheint allerdings fernliegend und ist daher abzulehnen (Müller, NZA 2022, 1096).

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