Rz. 142

Ist ein Anrecht nicht ausgleichsreif, wird es im Ausgleich bei der Scheidung nicht ausgeglichen. Es handelt sich um eine zwingende Folge. Ein Ermessen seitens des FamG besteht nicht. Der Ausschluss ist aber kein endgültiger. Das Anrecht ist vielmehr im Ausgleich nach der Scheidung (§§ 20 bis 26 VersAusglG) auszugleichen.

 

Rz. 143

Zu beachten ist, dass es sich bei dem Ausschluss stets um einen streng anrechtsbezogenen Ausschluss handelt: In den schuldrechtlichen Ausgleich verwiesen ist immer nur das Anrecht, dem die Ausgleichsreife fehlt. Vom Fall des § 19 Abs. 3 VersAusglG abgesehen ist dagegen in Bezug auf alle anderen, nicht von § 19 VersAusglG erfassten Anrechte der Ausgleich bei der Scheidung durchzuführen.

 

Rz. 144

An dem Ausschluss des Anrechts von dem Ausgleich bei der Scheidung ändert sich auch dann nichts mehr, wenn die Ausgleichsreife nach der letzten mündlichen Verhandlung doch noch eintritt. In einem solchen Fall bleibt es bei dem schuldrechtlichen Ausgleich. Eine Abänderung der Ausgangsentscheidung kommt selbst dann nicht in Betracht, wenn ein Anrecht i.S.d. § 32 Vers­AusglG betroffen ist. In allen anderen Fällen ist eine Abänderung schon wegen § 32 Vers­AusglG ausgeschlossen.

 

Rz. 145

 

Beispiel

Nach der Scheidung wird ein betriebliches Anrecht unverfallbar, weil die notwendige Zeit von fünf Jahren Betriebszugehörigkeit erreicht wird. Die Abänderung der Entscheidung ist schon deswegen nicht möglich, weil § 225 FamFG auf § 32 VersAusglG Bezug nimmt und so die Abänderung von Entscheidungen über betriebliche Anrechte ausschließt.

 

Rz. 146

Auch in den Fällen des § 19 Abs. 3 VersAusglG, in denen der Ausgleich bei der Scheidung bestimmter, ansonsten bei der Scheidung auszugleichender Anrechte, unterbleibt, weil dieser Ausgleich wegen des Vorhandenseins erheblicher ausländischer Anrechte auf der anderen Seite unbillig wäre, ist nur der Wertausgleich bei der Scheidung ausgeschlossen. Teilweise wird für diese besondere Konstellation angenommen, nicht nur der Ausgleich bei der Scheidung, sondern auch der Ausgleich nach der Scheidung sei ausgeschlossen.[84] Diese Ansicht ist weder mit dem Wortlaut des § 19 Abs. 3 VersAusglG vereinbar noch ist diese Lösung erforderlich, um interessengerechte Ergebnisse zu erzielen. V.a. wird durch einen nachfolgenden schuldrechtlichen Ausgleich auch der Ehegatte, dem die nach § 19 Abs. 3 VersAusglG erfassten Anrechte zustehen, nicht über Gebühr privilegiert.

 

Rz. 147

 

Beispiel

F[85] hat Anrechte in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ausgleichswert von 300 EUR[86] Monatsrente. Ihr Mann M hat Rentenanwartschaften in der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt mit einem Ausgleichswert von 350 EUR.

An sich wäre das Anrecht von F durch interne Teilung auf M zu übertragen. Dessen österreichische Anrechte sind aber nicht ausgleichsreif nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG. Sie sind deswegen dem schuldrechtlichen Ausgleich nach der Scheidung vorzubehalten. Liegt Unbilligkeit vor (was bei der vorliegenden Gestaltung zu bejahen sein dürfte[87]), schließt § 19 Abs. 3 VersAusglG auch den Ausgleich bei der Scheidung in Bezug auf die Anrechte von F aus. Daraus zu schließen, dass in diesem Fall auch der schuldrechtliche Ausgleich in Bezug auf die Anrechte von M ausgeschlossen werden muss, um eine Privilegierung von F zu verhindern, geht m.E. fehl: § 19 VersAusglG schließt in allen Varianten nur den Ausgleich bei der Scheidung aus, § 19 Abs. 4 sieht ausdrücklich vor, dass in diesen Fällen ein Ausgleich bei der Scheidung unberührt bleibt. Das bedeutet für den vorliegenden Fall: Zwar ist bei der Scheidung nichts auszugleichen, aber beide aus dem Ausgleich bei der Scheidung herausgenommenen Anrechte sind im Leistungsfall schuldrechtlich auszugleichen. Das übersieht die Lösung von Götsche. An einem unangemessenen Vorteil fehlt es deswegen auf beiden Seiten. Dass es zu zeitlichen Disparitäten kommen kann (wenn der Rentenbezug auf der einen Seite früher beginnt als der auf der anderen) liegt im Wesen des schuldrechtlichen Ausgleichs begründet und erfordert keinen Ausschluss dieser Ausgleichsform.

[84] NK-BGB/Götsche, § 19 VersAusglG Rn 39.
[85] Beispiel nach NK-BGB/Götsche, § 19 VersAusglG Rn 39.
[86] Angabe der Monatsrente zur besseren Anschaulichkeit. An sich wäre ein Vergleich der Kapitalwerte nötig.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge