Rz. 142

§ 6 Abs. 4 ErbStG stellt ein Nachvermächtnis und ein beim Tod des Beschwerten fälliges Vermächtnis steuerlich der Nacherbschaft gleich.

Zivilrechtlich liegt ein Nachvermächtnis vor, wenn ein Erblasser einen vermachten Gegenstand von einem nach dem Anfall des Vermächtnisses eintretenden bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis einem Dritten zuwendet, § 2191 Abs. 1 BGB. Der Dritte hat dann einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Vorvermächtnisnehmer bzw. dessen Erben auf Auskehrung des Vermächtnisses. Gemäß § 2191 Abs. 2 BGB finden die Regelungen zur Nacherbschaft entsprechende Anwendung.

 

Rz. 143

Erbschaftsteuerlich werden Nachvermächtnisse wie Nacherbschaften behandelt, § 6 Abs. 4 ErbStG. Der Vorvermächtnisnehmer wird wie ein Vorerbe und der Nachvermächtnisnehmer wie ein Nacherbe behandelt. Fällt ein Nachvermächtnis mit dem Tod des Vermächtnisnehmers an, gilt § 6 Abs. 2 ErbStG. Tritt das Nachvermächtnis durch ein anderes Ereignis ein, greift § 6 Abs. 3 ErbStG.

 

Rz. 144

In der Praxis finden sich in diesem Zusammenhang häufig Gestaltungen in gemeinschaftlichen Testamenten, in denen sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben und die gemeinschaftlichen Abkömmlinge als Schlusserben eingesetzt haben (Berliner Testament). Nach dem Erstversterbenden werden bereits zugunsten der Abkömmlinge Vermächtnisse angeordnet, die aber erst beim Tode der beschwerten längerlebenden Ehegatten fällig werden, um diesen nicht zu belasten. Motiv ist, die Freibeträge nach dem Erstversterbenden anzusprechen. Allerdings greift in diesen Fällen § 6 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG mit der Folge, dass das Vermächtnis als Erwerb vom Letztversterbenden gilt. Es werden diesbezüglich also weder die Freibeträge des Erstversterbenden genutzt noch liegt eine die Bereicherung des Längerlebenden (und nach dessen Versterben des Schlusserben) mindernde Vermächtnislast i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG vor.

 

Hinweis

Das Spannungsfeld zwischen dem Versorgungsinteresse des Längerlebenden und dem Steuerreduzierungsinteresse der Abkömmlinge kann allerdings durch die Anordnung von Steuervermächtnissen entschärft werden (siehe § 2 Rdn 3 ff.>).

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