Rz. 135

Der Vorerbe wird – trotz zivilrechtlicher Verfügungsbeschränkungen – als Vollerbe behandelt und besteuert, § 6 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Allerdings wird er durch die Erbschaftbesteuerung des Erwerbs wirtschaftlich nicht belastet, da er die durch die Vorerbschaft veranlasste Steuer aus den Mitteln der Vorerbschaft entrichten darf, § 20 Abs. 4 ErbStG i.V.m. § 2126 BGB. Im Ergebnis trifft mithin wirtschaftlich den Nacherben die Steuerlast des Vorerben. Daher hat einerseits der Vorerbe kein eigenes Interesse an einer Reduzierung der Steuer bzw. einem entsprechenden (kostenintensiven) Verfahren gegen die Finanzverwaltung und andererseits der Nacherbe keine Handhabe gegen den Vorerben und/oder das Finanzamt. In Betracht kommt eine entsprechende Anordnung im Testament, die z.B. eine Untätigkeit des Vorerben sanktioniert.

 

Rz. 136

Tritt der Nacherbfall nicht ein (z.B. weil der Nacherbe ausschlägt oder der Vorerbe den vorverstorbenen Nacherben beerbt), führt dies nicht zu einem weiteren steuerpflichtigen Erwerb.[90] Der Vorerbe ist – wie jeder andere Erbe auch – Erbschaftsteuerschuldner für seinen Erwerb. Verstirbt der Vorerbe vor Begleichung der Steuerschuld, ist sein Gesamtrechtsnachfolger i.S.d. § 1922 BGB – nicht der Nacherbe – Steuerschuldner der vom Vorerbfall ausgelösten Erbschaftsteuer.[91] Allerdings muss der Nacherbe diesen von der Steuerlast befreien.[92]

Die vorgenannten Grundsätze gelten auch für das Vor- und Nachvermächtnis.[93]

[90] Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, § 6 Rn 7.
[91] Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk/Gebel, ErbStG, § 20 Rn 55.

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