Rz. 468

Streit herrschte von Anfang an darüber, mit welchem Wert die Mittelgebühr nach Nr. 2300 VV RVG für die Abwicklung von Kfz-Schadensfällen anzusetzen ist (vgl. hierzu Madert, Die Mittelgebühr nach Nr. 2400 VV, zfs 2004, 301 ff.; Riedmeyer, Höhe der Mittelgebühr bei zivilrechtlichen Ansprüchen aus Verkehrsunfällen, DAR 2004, 262 f.). Diese Frage hat erhebliche wirtschaftliche Bedeutung für die Versicherungswirtschaft. Wurden früher 7,5/10 nach § 118 Abs. Nr. 1 BRAGO gezahlt und der Anfall der Besprechungsgebühr tunlichst vermieden, beträgt die Mittelgebühr nach dem Wortlaut des RVG nunmehr – mathematisch genau gerechnet – 1,5.

 

Rz. 469

Was bedeutet "Mittelgebühr" nach dem RVG in der Praxis? In der Gesetzesbegründung heißt es dazu:

Zitat

"Die vorgeschlagene Regelung soll an die Stelle des § 118 BRAGO treten, soweit dieser für die außergerichtliche Vertretung anwendbar ist. … Für alle in einer Angelegenheit anfallenden Tätigkeiten soll nur eine Gebühr anfallen. Vorgesehen ist eine Geschäftsgebühr mit einem Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5. … Die künftig allein anfallende Gebühr soll das Betreiben des Geschäftes einschließlich der Information und der Teilnahme an Besprechungen sowie das Mitwirken an der Gestaltung eines Vertrages abgelten. … Die Regelgebühr liegt bei 1,3. … In durchschnittlichen Angelegenheiten ist grundsätzlich von der Mittelgebühr (1,5) auszugehen. In der Anmerkung soll aber bestimmt werden, dass der Rechtsanwalt eine Gebühr von mehr als 1,3 nur fordern kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Damit ist gemeint, dass Umfang oder Schwierigkeit über dem Durchschnitt liegen. In anderen Fällen dürfte die Schwellengebühr von 1,3 zur Regelgebühr werden. … Nach der neuen Regelung löst die Besprechung keine weitere Gebühr aus, kann allenfalls im bestehenden Rahmen zu einer Erhöhung der angemessenen Gebühr führen. Ein einzelnes kurzes Telefongespräch würde hier kaum ins Gewicht fallen."

(1) Keine Mittelgebühr von 0,9

 

Rz. 470

Vereinzelt wurde die Auffassung vertreten, die Mittelgebühr betrage 0,9 (Braun, Das neue Gebührenrecht für den Verkehrsrechtler, DAR 2004, 61 ff.). Dabei ging der Autor von 0,5 als Mindestgebühr und 1,3 als Höchstgebühr aus und errechnete so eine Mittelgebühr von 0,9. Zur Begründung verweist Braun darauf, dass die amtliche Begründung zum Gesetzesentwurf bewusst nicht davon spreche, dass die Gebühr in Höhe von 1,3 eine Mittelgebühr sei. Das Gesetz spreche vielmehr von einer "Regelgebühr".

 

Rz. 471

Diese Auffassung ist aber unzutreffend und mittlerweile wohl vollständig aufgegeben worden, da von der Rechtsprechung einhellig überholt. Zu Recht: In der Begründung der Drucksache 15/1971 heißt es auf Seite 207 – wie vorstehend bereits zitiert – ausdrücklich: "… Die Regelgebühr liegt bei 1,3 …" und weiter: "… In anderen Fällen dürfte die Schwellengebühr von 1,3 zur Regelgebühr werden. … Sind auch Umfang und Schwierigkeit der Sache jedoch nur von durchschnittlicher Natur, verbleibt es bei der Regelgebühr (1,3). …"

 

Rz. 472

Die Mittelgebühr beträgt also bei einem Gebührensatzrahmen von 0,5 bis 2,5 mathematisch 1,5. Folgerichtig kommt in der amtlichen Begründung der Begriff einer "Mittelgebühr von 0,9" auch gar nicht vor (N. Schneider, Die Vergütung des Anwalts in der Verkehrsunfallschadensregulierung nach dem RVG, zfs 2004, 396 ff.).

(2) Regelgebühr von 1,3

 

Rz. 473

In der amtlichen Begründung heißt es, dass die Regelgebühr bei 1,3 liegt. In normal gelagerten Fällen wird die Schwellengebühr von 1,3 somit zur Regelgebühr.

 

Rz. 474

Welche Gebühr der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Einzelfall verdient hat, ist gem. § 14 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände zu bestimmen. Dies sind vor allem:

Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit
Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten
Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Mandanten
u.U. das besondere Haftungsrisiko des Anwaltes.
 

Rz. 475

Die Mindestgebühr kommt nur für eine denkbar einfachste außergerichtliche Tätigkeit des Anwaltes in Betracht, die Höchstgebühr wiederum ist nur bei überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen angezeigt und/oder wenn der Umfang oder die Schwierigkeit der Tätigkeit des Anwaltes weit über den Normalfall hinausgehen.

 

Rz. 476

Da die meisten Schadensfälle lediglich durchschnittlichen anwaltlichen Aufwand erfordern, ist in der Regel die Geschäftsgebühr mit 1,3 angemessen, bei leicht überdurchschnittlicher Angelegenheit aber auch durchaus mehr, z.B. 1,5.

 

Rz. 477

In Fällen, in denen es im Rahmen der Erteilung eines Mandats zur außergerichtlichen Interessenwahrnehmung lediglich zur Entgegennahme der Information durch den Anwalt im ersten Besprechungstermin kommt und der Mandant sich später nicht wieder meldet, dürfte regelmäßig die Mindestgebühr von 0,5 anzusetzen sein.

 

Rz. 478

Da es noch immer wieder vereinzelt mit Versicherern Streit über die Höhe der "Mittelgebühr" gibt, hat die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV eine Musterklage entworfen, die im Internet als "musterklage.pdf" unter www.verkehrsanwaelte.de, Rubrik: "Für Verkehrs...

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