Rz. 396

Wenn der Versicherer des Schädigers nicht schnell genug reguliert, der Schaden von dessen VN nicht gemeldet wird oder der Versicherer erst Akteneinsicht benötigt, um regulieren zu können, ist der Geschädigte u.U. gehalten, zur Vermeidung eventuell höherer Kreditkosten zunächst seine bestehende Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen (OLG München zfs 1984, 136).

 

Rz. 397

Der Geschädigte ist aber nicht etwa zur Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung verpflichtet. Das gilt selbst dann, wenn ein hoher Nutzungsausfallschaden droht, weil der Ersatzpflichtige bzw. sein Versicherer trotz klarer Haftungslage die zur Auslösung des Unfallfahrzeugs in der Reparaturwerkstatt erforderliche Zahlung verweigert (LG Limburg NZV 1997, 444).

 

Rz. 398

Allerdings ist zu beachten, dass eine einmal in Anspruch genommene Kaskoleistung – anders als in der Haftpflichtversicherung – in der Regel nicht wieder zurückgezahlt werden kann, um den Schadensfreiheitsrabatt (SFR) noch zu retten. Die Kaskoinanspruchnahme ist dann also endgültig, mit allen damit verbundenen und dem gegnerischen Versicherer klugerweise vorher anzukündigenden Folgen (§ 254 Abs. 2 BGB: Gefahr des außergewöhnlichen Schadens). Es gilt der Satz: "Einmal Kasko – immer Kasko".

 

Rz. 399

Es gibt allerdings in letzter Zeit Verträge, die eine Rückzahlungsmöglichkeit mit Erhalt des SFR in der Kaskoversicherung in den Versicherungsbedingungen vorsehen. Es empfiehlt sich daher, sich ggf. danach beim jeweiligen Versicherer zu erkundigen. Inzwischen sehen I.4.1.2 c der neuesten AKB 2015 (GDV-Musterbedingungen) jedenfalls dann die Annahme eines schadenfreien Verlaufs vor, wenn "der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung" die Entschädigung in vollem Umfang erstatten.

 

Rz. 400

Wird eine Vollkaskoversicherung lediglich vorschusshalber in Anspruch genommen, also eine Rückzahlung nach schließlich erfolgter Zahlung seitens des gegnerischen Haftpflichtversicherers vereinbart, soll kein Rechtsübergang der Forderung des Geschädigten gem. § 86 Abs. 1 VVG vorliegen, was zur Folge hat, dass die Aktivlegitimation des Geschädigten im Prozessfalle nicht verloren geht (LG Mühlhausen zfs 2002, 384). Das muss dann dem gegnerischen Haftpflichtversicherer gegenüber angezeigt werden.

 

Rz. 401

Grundsätzlich ist der gegnerische Haftpflichtversicherer auch gehalten, den Rückstufungsschaden zu ersetzen (BGH zfs 1992, 48).

 

Rz. 402

Der BGH hat inzwischen klargestellt, dass – jedenfalls in Mithaftungsfällen – keine Verpflichtung des Geschädigten besteht, vor einer Inanspruchnahme seiner Kaskoversicherung die Regulierungsbereitschaft des gegnerischen Haftpflichtversicherers abzuwarten (BGH VersR 2007, 81 = zfs 2007, 87 = DAR 2007, 21 = NZV 2007, 30). Den ihm anschließend durch die Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung entstandenen Prämienschaden kann er – unter Berücksichtigung seiner Mithaftungsquote – vom Versicherer des Schädigers ersetzt verlangen (BGH v. 19.12.2017 – VI ZR 577/16 – VersR 2018, 314).

 

Rz. 403

Das gilt selbst dann, wenn die unter Einbeziehung des Prämienschadens vom Versicherer des Schädigers insgesamt zu leistenden Zahlungen den ohne Kaskoabwicklung nach der Haftungsquote zu ersetzenden Betrag deutlich übersteigen, der Geschädigte also infolge der Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung einen wirtschaftlichen Vorteil erzielt hat.

 

Rz. 404

Die Übernahme des Rabattverlustes wurde – somit fälschlicherweise – oft abgelehnt, wenn die Kaskoinanspruchnahme dem Geschädigten Vorteile bringt, die er – z.B. wegen einer hohen Mithaftung – anderenfalls nicht hätte. Dieser Streit ist inzwischen vom BGH ebenfalls dahingehend entschieden, dass der Schadensfreiheitsrabattverlust auch dann zu ersetzen ist, wenn die Vollkaskoversicherung bei nur anteiliger Haftung auch oder nur wegen des vom Geschädigten anderenfalls zu tragenden Schadenteils in Anspruch genommen wird, denn der Nachteil der Prämienerhöhung tritt unabhängig von der Regulierungshöhe allein dadurch ein, dass Versicherungsleistungen in der Kaskoversicherung in Anspruch genommen werden (BGH VersR 2006, 1139 = zfs 2006, 680 m. Anm. Diehl = DAR 2006, 574; BGH v. 19.12.2017 – VI ZR 577/16 – VersR 2018, 314).

 

Rz. 405

Der durch die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung entstandene Anspruch auf Erstattung des verlorenen Schadensfreiheitsrabatts in der Kaskoversicherung (Rückstufungsschaden) ist dementsprechend vom Schädiger nach seiner Haftungsquote zu ersetzen (BGH zfs 1992, 48; OLG Hamm zfs 1983, 12 m.w.N.).

 

Tipp

Es ist zu berücksichtigen, dass der Rückstufungsschaden prozessual – mit Ausnahme des bereits aufgelaufenen rückständigen Prämienverlusts – lediglich in Form einer Feststellungsklage geltend gemacht werden kann (BGH zfs 1992, 48), da es sich bei den in den Folgejahren zu erwartenden Prämiennachteilen um zukünftige (noch nicht fällige) Leistungen handelt, deren konkrete Höhe von weiteren noch nicht beurteilbaren Faktoren abhängig ist (Prämienentwicklung, weiterer Schadenverlauf). Außergerichtlich lässt sich hingegen regelmäßi...

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