Rz. 218

BGH, Urt. v. 29.10.2019 – VI ZR 104/19, juris

Zitat

BGB § 249; ZPO § 287 Abs. 1

Zu der Schätzung des erforderlichen Herstellungsaufwands (hier: Kosten eines Kfz-Sachverständigen).

Orientierungssatz juris:

1. Ein Geschädigter ist gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist er nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Verlangt der Sachverständige bei Vertragsabschluss jedoch Preise, die – für den Geschädigten im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle erkennbar – deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung dieses Sachverständigen als nicht erforderlich erweisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter im Rahmen des ihm zustehenden Schätzungsermessens festzulegen hat.

2. Im Rahmen der tatrichterlichen Schadensschätzung bildet nicht der vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Betrag als solcher, sondern allein der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung tatsächlich erbrachte Aufwand einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrags.

a) Der Fall

 

Rz. 219

Die Klägerin nahm die Beklagte aus doppelt abgetretenem Recht auf Erstattung restlicher Sachverständigenkosten im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall in Anspruch, bei dem es zu einem Sachschaden an einem Kraftfahrzeug kam. Die Beklagte war der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners, dessen Einstandspflicht dem Grunde nach außer Streit stand.

Der Geschädigte beauftragte den Sachverständigen K. mit der Feststellung des unfallbedingt an dem Fahrzeug entstandenen Schadens. Der Gutachtenauftrag lautet auszugsweise wie folgt:

 

Rz. 220

Zitat

Hiermit beauftrage ich die Kfz-Sachverständige (…) zum Zwecke der Beweissicherung sowie der Feststellung und Begutachtung des mir entstandenen Schadens aus dem nachfolgenden Verkehrsunfall: (…) mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Der SV erhält als Vergütung für die Gutachtenerstellung ein Grundhonorar, das sich am ermittelten Schaden orientiert. Grundlage der Berechnungen ist der im Honorarbereich III ermittelte Wert der BVSK-Befragung 2015. Zusätzlich erhält der SV Nebenkosten wie folgt vergütet: (…).

Abtretung und Zahlungsanweisung

Zur Sicherung des Sachverständigenhonorars in der o.g. Angelegenheit trete ich meinen Anspruch auf Erstattung des Sachverständigenhonorars gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten gegnerischen Fahrzeugs in Höhe des Honoraranspruchs einschließlich der Mehrwertsteuer für die Erstellung des Beweissicherungsgutachtens erfüllungshalber an den SV ab. (…)

 

Rz. 221

Der Sachverständige unterzeichnete eine unter der Unterschriftszeile des Gutachtenauftrags befindliche "Weiterabtretung zur Geltendmachung an Verrechnungsstelle [Klägerin]". Er ermittelte einen Reparaturaufwand in Höhe von 962 EUR. In seiner Rechnung berechnete er für sein Gutachten brutto 460,86 EUR, wobei auf das Honorar netto 310 EUR, auf die im einzelnen aufgeschlüsselten Nebenkosten netto 77,28 EUR entfielen.

 

Rz. 222

Die Klägerin machte den (behaupteten) Schadensersatzanspruch des Geschädigten in Höhe von 460,86 EUR gegenüber der Beklagten geltend. Nachdem die Beklagte vorgerichtlich einen Betrag in Höhe von 366 EUR gezahlt hatte, nahm die Klägerin sie mit der vorliegenden Klage auf Zahlung des Restbetrags in Höhe von 94,86 EUR nebst Zinsen in Anspruch.

 

Rz. 223

Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 51,02 EUR nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen – insoweit rechtskräftig – abgewiesen. Auf die zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Anspruch in Höhe von 51,02 EUR weiter.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 224

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision war nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hatte das Berufungsgericht angenommen, dass der Klägerin ein weitergehender Anspruch auf Ersatz der Kosten des Sachverständigengutachtens aus §§ 7, 18 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 398 BGB nicht zustand, § 287 ZPO, § 249 Abs. 2 S. 1.

 

Rz. 225

Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Sein Anspruch ist auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags und nicht etwa auf Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Denn Ziel der Schadensres...

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